AGRA UND VARANASI – INDIEN’S HOTSPOTS ZUM SCHLUSS

28 01 2011

AGRA:
Agra = Taj Mahal. Das kann man eigentlich schon so stehen lassen, denn bis auf dieses imposante Bauwerk ist Agra ziemlich uninteressant. Manche sehen in dem Agra-Fort noch eine „Sehenswürdigkeit“, wir nicht als wir davor standen. Sogar das Essen schmeckte fad, und das ist wirklich selten in Indien. Dafür ist das Taj Mahal um so beeindruckender! Ein Poet nannte es „eine Träne im Antlitz der Ewigkeit“. Auf denselben Ausdruck wären wir nun nicht gekommen, aber dieses strahlend weiße, mit Schattierungen und Blumenmustern versehene und absolut synchron erbaute Grabmal verdient seine Berühmtheit zurecht! Und dazu auch noch die romantische Geschichte der Erbauung, nach der der Herrscher Shah Jahan das Grabmal im 17. Jahrhundert für seine Lieblingsfrau erbauen ließ, die nach der Geburt des 14. Kindes starb… Kein Wunder, dass hier sogar westliche Frauen in Brautkleidern hinfahren, um mit ihrem frisch Vermählten DAS Foto schlechthin zu schießen!

AGRA NACH VARANASI:
Als mittlerweile alte Hasen im indischen Bahnfahren sollte diese letzte Nachtfahrt eigentlich ein Kinderspiel für uns werden. Wir stellten uns also auf gemütliche 14 Stunden in der mittleren gehobenen Klasse (zum Schlafen) ein. Aber Indien wäre nicht Indien, wenn es nicht immer anders kommen würde, als man denkt… Wobei es diesmal wirklich unser Fehler war, denn wir verpassten unseren Anschlusszug in Mathura, standen mitten in der Nacht in einem unbekannten Provinzstädtchen am Bahnhof und sahen uns schon in einer üblen Kaschemme die Nacht verbringen. Spontanes Weiterreisen ist eigentlich nicht sooo einfach. Als wollten die Inder sich nochmal von ihrer besten Seite zeigen, tat sich auf einmal eine Option auf zur direkten Weiterfahrt. Binnen zehn Minuten konnten wir unsere alte Karte mit 50%igem Rückgeld (Gruß an die Deutsche Bahn!) in eine neue Fahrkarte „verwandeln“ wobei gleich fünf indische Bahnmitarbeiter involviert wurden. Wir konnten einen anderen Nachtzug in der gewünschten Klasse zu einem nächsten Zwischenziel nehmen. Bei der Weiterfahrt nach Varanasi setzte uns der Schaffner sogar mit einem General Ticket (unterste aller untersten Bahnklassen) in die normale Klasse ohne Aufpreis! Nach 10 Wochen Indien war dieses Entgegenkommen wirklich noch eine Überraschung.

VARANASI:
Der nahende Abschied von Indien wird uns immer bewusster und auch wenn wir uns unheimlich auf unsere nächsten Ziele freuen, ist es doch ein komisches Gefühl, dieses verrückte Land, das uns mit all seinen Skurrilitäten doch sehr ans Herz gewachsen ist, bald durchreist zu haben. Varanasi als heiligste Stadt in der hinduistischen Glaubenswelt und dazu auch noch eine der ältesten ununterbrochen bewohnten Städte der Welt sollte ein würdiger Abschluss werden und wurde es auch! Der Ganges ist hier kilometerweit von Ghats gesäumt, an denen sich bis zu Tausende von Pilgern täglich reinigen, ihre Wäsche waschen und den ein oder anderen Schluck Flusswasser trinken oder mitnehmen, da der Ganges den Lebenden Reinheit und den Toten Erlösung bringen soll. Von „rein“ kann allerdings nicht die Rede sein – stark verschmutzt von Abwässern und Schwermetallen ist der Fluss hier mittlerweile und hat nichts mehr von seiner wirklichen Schönheit und Reinheit, die wir in Rishikesh hautnah beim Rafting auf dem frischen Gletscherwasser erleben durften… Tja, und den Toten Erlösung bringen – damit wären wir bei einem der bisher unglaublichsten Erlebnisse… Jeder, der in Varanasi stirbt und im Ganges „beerdigt“ wird, erlangt sofort Erlösung und so kommen viele ältere Menschen nur zum Sterben hierher. Die „Glücklichen“, die hier sterben dürfen, werden direkt am Fluss eingeäschert. Und jeder kann zusehen. Wir standen also 5-10 Meter entfernt von insgesamt über 20 kleinen Scheiterhaufen, die ständig in Betrieb waren. Die Toten werden von Totenwächtern und den Angehörigen ordentlich aufgebahrt und geschmückt runter zum Ganges getragen, einmal unter Gangeswasser getunkt, um sie zu segnen und dann auf die vorbereitete Feuerstelle zu legen. Ein letztes Foto mit den Angehörigen ist auch gestattet (für Touristen ist Fotografieren streng verboten!). Der Scheiterhaufen wird angezündet und brennt so lange, bis hoffentlich alle Holz- und Leichenteile verkohlt und zu Asche zerfallen sind. Die Totenwärter helfen dabei mit langen Bambusstöcken immer wieder nach. Damit gehen sie ihrer in unseren Augen ungewöhnlichen Arbeit nach. Wenn man möchte, sieht man wirklich alles bis ins letzte Detail. Auf genauere Beschreibungen verzichten wir hier. Die Asche kommt dann auf einen großen Sammelhaufen (der dann im Ganges landet) und der Prozess wiederholt sich ununterbrochen. Die Bestattung ist ein richtiges Geschäft. Wenn die Angehörigen etwas mehr ausgeben, bekommt der Leichnam eine eigene neu vorbereitete Feuerstelle mit gut brennendem Holz. Wenn sie weniger zahlen, wird der Leichnam auf ein bereits brennendes Feuer hinzugelegt. Das Ganze an über 20 Stellen verursacht natürlich ein ziemliches Durcheinander, dazu riesige Holzstapel, Holzträger, Kühe, Hunde und Kinder, die mit ihren Drachen spielen. Beim Schreiben merken wir, wie irreal das ganze eigentlich war. Einfach nicht vereinbar mit unseren westlichen Vorstellungen – etwas, was höchstens in irgendwelchen Horrorszenarien Wirklichkeit werden könnte. Und doch ist es so faszinierend, fast schon hypnotisierend und so natürlich gewesen, dass wir fast eine Stunde dem Treiben zuschauen mussten. Die ganze „Andersartigkeit“ Indiens im Vergleich zu unserer Kultur hat an diesem Ort für uns ihren Höhepunkt gefunden.

Einen kleinen Ausflug unternahmen wir nach Sarnath, ein buddhistischer Wallfahrtsort, in dem Buddha fünf Wochen nach seiner Erleuchtung im Jahr 530 v.Chr. seine erste Predigt abgehalten haben soll. Außerdem steht hier ein Ableger des Bodhi-Baums aus Bodhgaya, in dem Buddha die Erleuchtung zuteil wurde. Neben unseren ersten buddhistischen Tempeln waren für uns vor allem die buddhistischen Pilger und Mönche in ihren typischen rot-orangenen Gewändern beeindruckend.

Irgendwie kamen wir in Varanasi dann noch drauf, einen Reiki-Kurs zu besuchen. Dabei handelt es sich um eine japanisch-indische Heilmethode, die alleine durch Energiefluss bzw. Handauflegen funktioniert. Wer mehr wissen möchte, kann bei Wikipedia nachlesen. 🙂 Wir sind nun stolze Absolventen des 1. Reiki-Grades und befinden uns nun in unserer 21-tägigen Meditationsphase, in der wir jeden Tag ca. eine halbe Stunde eine „Selbstanwendung“ machen. Dem ein oder anderen mag das komisch vorkommen – uns auch 🙂

Und das war’s nun mit Indien – weiter geht’s nach Nepal, unserem 2. Reiseland!!!



RISHIKESH – ASHRAM, YOGA UND RAFTING

19 01 2011

05_Ashram - Gesang vor dem Essen in Sanskrit

Dieser sowie einige andere Gesänge sollten uns in den zwei vergangenen Wochen doch tatsächlich in Fleisch und Blut übergehen! Und auch nach der Ashram-Zeit ertappen wir uns häufig bei einem Ohrwurm von unserem Tischgebet… Schön war’s!
Rishikesh liegt im Nordwesten Indiens (Nördlich von Delhi) im oberen Gangestal. Es bildet die Hochburg der Yogis und Gurus mit Angeboten für Yoga-Anfänger bis hin zum zertifizierten Abschluss an der Uni als Yoga-Teacher. Und das ist auch an jeder Ecke spürbar. Alleine die Lage im oberen Tal des Ganges, der mit seinem türkisfarbenen Gletscherwasser tatsächlich irgendwie heilig wirkt, inmitten von Bäumen und Bergen direkt am Fuße der Himalayas, macht schon Eindruck. Auf Empfehlung einer kanadischen Travellerin hatten wir uns für den Anand Prakash Yoga Ashram entschieden – einen kleinen, neuen und modernen Ashram, von einem indisch-kanadischen Yoga-Pärchen geführt. Die beiden weilten aber gerade in Kanada, so dass das Ashram relativ leer war (immer um die 10 Gäste). Der „Yogi Ji“ hat anscheinend eine enorme Anziehungskraft. Wenn er in Indien ist und Kurse oder Stunden gibt, dann sind diese und sein Ashram prall gefüllt. Unsere Zeit war dafür umso gemütlicher und erholsam. Auch wenn die 3,5 Stunden Yoga am Tag – besonders in der ersten Woche – echt einfach nur knallhart waren! Unser Yoga-Lehrer Rana legte nicht allzu viel Wert auf Meditation und solche Weichei-Bestandteile des Yoga, sondern zog es vor, unsere leicht untrainierten Körper lieber von der ersten bis zur letzten Minute mit Hammerübungen, -dehnungen und -verrenkungen zu quälen. Nach einigen Tagen und trotz ein bis zwei geschwänzter Einheiten (es ging einfach nicht mehr!) tat wirklich jedes Körperteil weh. Als Rana dann in der zweiten Woche das Tempo aufgrund einiger (auch älterer) Neuankömmlinge verlangsamte, wurde uns schon fast langweilig…
3 Yoga-Stunden pro Woche wurden von einem kanadischen Freund des Yogi-Ji’s abgehalten, so dass wir etwas Abwechslung hatten. Viel „Atmen“ war bei ihm angesagt. Bei seinem Yin-Yoga einmal wöchentlich werden Atemübungen in Verbindung mit Haltepositionen durchgeführt, die in einer Stretching-Postion bis zu fünf Minuten beibehalten werden. Das kann sehr lange sein, wenn du es nicht gewöhnt bist und es ist nichts (oder gerade etwas?!) für ungeduldige Menschen. Zum Entspannen wurde dann immer schön „Om, Om“ mit allen zusammen gebrummt, begleitet von diversen Ratschlägen wie „If you think of pain, you will feel pain; if you think of time, time will go very slowly; if you think of joy and peace, your life will be joyful and peaceful“.
Abgesehen von den Yoga-Einheiten (die erste um 6 Uhr morgens bei wahrscheinlich gerade mal 5 Grad), der ein oder anderen spirituellen Lektion des Kanada-Teachers und den Tischgebeten fühlten wir uns eigentlich eher wie in einem Feriencamp, nur ohne Zelt, aber mit Vollpension. Es war also keineswegs irgendeine sektenähnliche Vereinigung, die uns da in ihren Bann zog.

Wir machten viele nette Bekanntschaften mit allen möglichen Nationalitäten – wie natürlich schon vorher auf der Reise, aber doch irgendwie intensiver aufgrund des ständigen Zusammenlebens – und für uns überraschenderweise schlossen wir vor allem die anwesenden Chinesinnen ins Herz. Neben der „Zeit mit sich selbst“ gefiel uns persönlich vor allem der geregelte Tagesablauf und die Konstanz des Ortes. Wir merkten doch, dass 2 Monate Indien schlauchen und es so gut tut, mal nicht um jede Mahlzeit feilschen oder sich jeden dritten Tag ein neues Bett suchen zu müssen (auch wenn uns die wechselnden Orte und das Reisen eigentlich sehr gefällt). Wir konnten uns einfach an unser Esstischchen auf den Boden setzen und los ging’s mit den besten indischen, natürlich im Ashrahm vegetarischen Gerichten! Bei der jetzigen Weiterreise merken wir bereits, dass wir neue Dinge wieder ganz anders aufnehmen können – eine „Reisepause“ tut auf jeden Fall gut!

Vieles in so einem Ashram ist heutzutage doch kommerziell. So werden weitere für ein konventionelles Ashram weltlichere Dinge wie Internet, Abenteuer wie Rafting und Trekking gegen Bezahlung angeboten. So sehr sich manche Menschen auch um ein spirituelles Leben bemühen, steht das individuelle Vorwärtskommen doch auch hier oft im Vordergrund. Besonders eindeutig war dies bei den ständigen Zickereien unserer 2 Yoga-Teachers, die sich auf den Tod nicht leiden konnten. Einig waren sie sich nur in den unglaublichsten Geschichten über die Kraft des Yoga und die heiligsten Gurus (24 Stunden Luft anhalten, 1 Monat lebendig begraben lassen und wieder quicklebendig rauskommen, ein Auto mit einem Seil zwischen Kinn und Brustkorb festhalten damit es nicht anfahren kann, usw…). Wir sind eben doch nicht gaaanz so doll spirituell angehaucht, um voll und ganz in dieser Welt aufgehen zu können. Aber insgesamt hat uns diese Zeit auf jeden Fall persönlich ein Stückchen weitergebracht, auch Christian als Novize hat Gefallen am Yoga (insbesondere am sportlichen Teil) gefunden und wir versuchen, die ein oder andere Übung in unseren weiteren „Alltag“ einzubauen.

Nebenbei machten wir auch die ein oder andere „weltliche“ Erfahrung, wie unser Rafting-Abenteuer auf dem Ganges. Abgesehen von dem Spaß und Nervenkitzel durch die zum Teil heftigen Stromschnellen wurden wir auch klitschnass – und somit gesegnet vom heiligen, aber auch eiskalten Gletscherwasser! Kleine Wanderungen haben wir dazu genutzt, um einen nahegelegenen Wasserfall und das still gelegte Ashram zu besichtigen, in dem die Beatles 1968 einige Zeit verbrachten. Hinzu war Christian am höchsten Punkt der nahen Umgebung und hatte dabei eine traumhafte Aussicht auf die Himalayas, die uns in Nepal erwarten.

Jetzt sind wir auf dem Weg zu unseren letzten beiden Stationen in Indien – Agra, zur Besichtigung des Wahrzeichens von Indien, das Taj Mahal, und Varanasi, die heilige Stadt, durch die ebenfalls der Ganges fließt. Noch im Januar wollen wir die Grenze zu Nepal überqueren.



RAJASTHAN II – FARBENSTÄDTE, SCHLEPPER UND SAFARIS

2 01 2011

ZUNÄCHST WÜNSCHEN WIR EUCH EIN FROHES, NEUES JAHR!!!

JODHPUR:

Nach unserer ersten Nachtfahrt im Bus mit defektem Fenster in der Schlafkabine sind wir durchfroren frühmorgens in Jodhpur angekommen.
Jodhpur – bekannt als die blaue Stadt (nach der Farbe seiner Altstadthäuser) und für sein Wahrzeichen, das Meherangarh-Fort, in dem wir uns mit der im Eintrittspreis integrierten Audiotour (die übrigens WIRKLICH interessant war) endlich mal wie wahre Touris fühlten! Das Fort hat uns einen Eindruck über die Lebensweise der Maharadscha als auch über die Zeiten, in denen sie geherrscht haben, gegeben. Großzügig angelegte und geschmückte Räume und etliche Vorhöfe konnten wir genauso bestaunen wie die Auszüge aus den Kampftechniken mit Rüstungen, Waffen und hauptsächlich Elefanten. So lange ist das mit der Maharadscharegentschaft noch gar nicht her – der gegenwärtige Maharadscha Gaj Singh lebt immer noch wohlbetucht, wenn auch nicht mehr mit der früheren Macht, im prächtigen Umaid-Bhawan-Palast auf der anderen Stadtseite.
Bemerkenswert für uns in Jodhpur ist außerdem die Geschichte des berühmtesten Omelette-Shops in Indien, dem selbst die Süddeutsche Zeitung im letzten Jahr einen halbseitigen Artikel widmete, den uns der Besitzer stolz präsentierte. Bei dem Ansturm auf die wirklich leckeren Omelettes konnten wir mal wieder die Macht des Lonely Planet erleben – einmal in der Reise-Bibel aufgeführt, wird selbst dieser unscheinbare, barackenähnliche Shop zur überlaufenen Futteroase für Budgettraveller und das Ganze mitten auf der Straße.

Die Umgebung von Jodhpur erkundeten wir im Rahmen einer Village-Safari. In einem Familien-Van mit einer italienischen Familie mit 2 kleinen Kindern (RESPEKT!!), die wir in unseren nächsten Reisezielen immer wiedersehen sollten, ging’s morgens nach dem Frühstück los. Die Safari ging in die sogenannten Bishnoi-Dörfer, die eine eigene Religionsgemeinschaft in Indien bilden und seit über 500 Jahren nach 29 Regeln für Harmonie mit der Natur und Umwelt leben. Die Bishnois gehen noch heute ihrer traditionellen Lebensweise und Handwerkskunst nach, wie z.B. dem Töpfern, Weben, Teppich knüpfen, Spinnen und am offenen Feuer mit Holz und Kohle kochen. Auf der Fahrt haben wir zudem Antilopen und den für uns unbekannten Blue Bull gesehen. Unser Guide hat uns bei den Fahrten zu den einzelnen Dörfern wieder unglaubliche Geschichten über Indien und deren Kultur erzählt – über Witwen, die keine aufreizenden Saris mehr tragen sollen und keine aphrodisierende Nahrung mehr zu sich nehmen dürfen, arrangierte Ehen und den Sati, die Witwenverbrennung. Sati begingen früher die Witwen – freiwillig oder unfreiwillig – indem sie mit dem Leichnam ihres Mannes auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden. Dies sollte Glück für Familie und das ganze Dorf bringen. Offiziell ist das schon lange verboten und niemand will mehr was davon hören. Trotzdem weiß auch unser Guide nicht, ob es ganz ausgestorben ist. Neben der überdurchschnittlich hohen Zahl von Abtreibungen weiblicher Föten oder Kindstötungen von Mädchen direkt nach der Geburt muss die überdurchschnittlich niedrige Anzahl an Frauen in Indien gemessen an der Weltbevölkerung irgendwie zustande kommen…

JAISALMER / DIE KAMELSAFARI:
Zwei Tage vor Heiligabend sind wir nach Jaisalmer zu unserer Weihnachtsbleibe gefahren. Dort hatten wir via E-Mai bereits bei einer Agentur für eine Kamelsafari angefragt, die wir umgehend nach Eintreffen in der Stadt persönlich bestätigen sollten. Bei der letzten E-Mail der Agentur warnte uns diese auch vor Schleppern, die einen sofort mit dubiosen Angeboten von Kamelsafaris überfallen würden. Ok, alles klar, dachten wir. Wir waren vorbereitet und würden nach unserer Ankunft sofort zur Agentur gehen. Mit Schleppern haben wir dann bereits 100km vor Jaisalmer im Zug Bekanntschaft gemacht, die uns dort bereits Unterkünfte mit organisierten Kamelsafaris anboten. Wir haben dankend abgelehnt und in diesem Zuge auch noch scheinbar allwissend unsere chinesische, naiv scheinende Sitznachbarin auf die vermeintliche Schlepperüberflutung in Jaisalmer hingewiesen.
Am Bahnhof in Jaisalmer ausgestiegen, wurden wir auch mit den viel besagten Jungs konfrontiert. In dem Wust von Menschen haben wir nur Stimmen gehört, die über Unterkünfte und Safaris sprachen. Mit unserem Scheuklappenblick haben wir dann gerade noch die riesigen Schilder mit Hotel-Aufschriften registriert, die kostenlosen Shuttle-Service zu den Hotels anboten. Hier war man vorbereitet! Wir blieben stur und haben uns unbeeindruckt zu Fuß in Richtung Jaisalmer Innenstadt begeben, nachdem die Rikscha-Fahrer uns nicht für 20 Rupien in die Stadtmitte bringen wollten. Ein paar Meter auf der Hauptstraße unterwegs, hat ein Jeep mit zwei Asiatinnen angehalten, der uns zu unseren Preisvorstellungen mitnahm. Freundlich ins Gespräch über unsere Herkunft und sonstiges, gewohntes Blabla eingestiegen waren wir schnell in der Stadtmitte angekommen. Die Asiatinnen sind kurz vorher bereits raus gelassen worden mit dem Kommentar, sie würden sich in ein asiatisches Touristenviertel begeben. Und dann ging’s los! Der sich als Schlepper entpuppte Beifahrer hat uns eine Kamelsafari angeboten sowie Übernachtung in seiner Unterkunft. Also genau die Story aufgetischt über die alle sprechen, wenn es um’s abschleppen geht. Er hat darüber lamentiert, dass immer die Agenturen aus dem Lonely Planet die meisten Touris abgreifen. Wenn er einmal im Lonely Planet stünde, unterließe er das mit dem Anheuern der Touristen. Irgendwie hat er uns im Mark getroffen. Wir haben uns bereits mehrfach über die Werbebanner der Lokalitäten, Unterkünfte und Agenturen seit unserer Ankunft in Indien aufgeregt, die mit ihrem Eintrag im Lonely Planet warben, wobei es sehr gute preiswertere Mitbewerber meist um die Ecke gab.
Nach zähen Verhandlungen in der Unterkunft zu Konditionen und Leistungen der Safari haben wir uns trotzdem für diese entschieden, wenn gleich wir nur eine Anzahlung leisteten, um den vollen Betrag nach der Safari zu entrichten. Der anderen Agentur haben wir noch schnell eine E-Mail geschrieben, dass Christian geworden war… 😉 Aber der Geldbeutel reist nunmal immer mit – auch an Weihnachten! Am nächsten Tag ging’s dann bereits frühmorgens mit einem Japaner, Mura, in dem bekannten Jeep ab in die Wüste, um unsere Kamele für unsere 3-tägige Safari (23.12. – 25.12.) zu finden. Nachdem ganzen Hickhack (die Jungs kamen uns doch reichlich dubios vor!) waren wir nun gespannt was uns erwartete.
Nach ca. 45 Minuten Jeep-Geschaukel haben wir dann mitten in der Steppenlandschaft angehalten. Außer uns niemand zu sehen, erst recht keine Kamele. Nach wenigen Minuten fing unser Fahrer hinter einem Busch an, in die Steppe zu rufen. Kurz darauf kamen vier Kamele mit zwei Guides hinter dem Busch hervor. Mann, waren das riesige Viecher und auf denen sollten wir sitzen… Die Guides, Rhaman und Samit, haben uns direkt freundlich, fast schon überschwänglich, begrüßt. Dann noch schnell Wasser und unsere Klamotten auf die am Boden liegenden Kamele gesattelt, einen Turban gebunden und los ging’s auf die Kamele. Gerade fest im Sattel gefühlt, ging ein tiefes Schnauben und kräftiger Ruck durch die sich erhebenden Kamele und schon saßen wir in ca. 2,50m Höhe über dem Erdboden. Sehr ungewohntes aber auch majestätisches Gefühl!.
Durch die weite Steppe an kleinen abgelegenen Dörfern vorbei ritten wir einige Stunden. Diese fast unberührte Natur ist einzig und alleine von zig Windrädern gesäumt. Seit einigen Jahren haben die Inder, insbesondere der Bundesstaat Rajasthan mit der riesigen Steppenlandschaft, die alternative Energie für sich entdeckt. Es verunstaltet irgendwo diese Landschaft, bringt aber der Bevölkerung jede Menge Arbeit.
Kurz vor Sonnenuntergang haben wir dann unser Nachtlager erreicht. Hinter einem Hügel taten sich riesige Sanddünen von zusammen geschätzten zehn Quadratkilometern auf. Der Anblick „echter“ Wüstenlandschaft war absolut unwirklich. Es gab nur noch Sand, Sonne und der Himmel. Nach einigen hundert Metern Fußmarsch haben wir inmitten von Dünen unser Nachtlager bezogen. Rhaman hat unseren Schlafplatz und danach ein leckeres Abendessen gezaubert. Er war sowieso der Meisterkoch der Wüste – immer leckeres indisches Essen – und dazu ein super Unterhalter. Nach dem Essen am Lagerfeuer noch ein wenig warm gehalten, haben wir uns dann alle bereits um acht Uhr bei klarem Sternenhimmel mit Sternschnuppen ins „Schlafgemach“ (Decken unter und über uns, zudem eine kleine Plastikplane) begeben. Es wurde trotzdem einfach unerträglich kalt. Und dann kam noch starker Wind auf, der drehte und uns die gesamte Nacht immer wieder Sand ins Gesicht, in die Haare und unter die Decke wehte. Wir wollten morgens um fünf Uhr, nachdem wir bereits zum gefühlten 100ten Mal aufwachten, einfach nur noch, dass es endlich hell wurde. Irgendwann hatten wir dann auch unsere erste Nacht unter freiem Himmel in der Wüste überstanden. Rhaman war etwas bedröppelt, da er mit dem starken Wind einfach nicht gerechnet hatte, und wir bekamen den Sand erst 2 Tage später bei unserer nächsten Dusche vom Körper.
Frühstücken, aufsatteln und weiter ging’s. Runter von den Dünen, zurück in der Steppenlandschaft haben wir einmal mehr abgelegene Dörfer, Hütten und Menschen fernab der Zivilisation, wie wir sie kennen, gesehen. In diesen Weiten der Landschaft auf Kamelen zu reiten ist einfach entspannend… bis auf das zum Teil schmerzhafte Gefühl am Hinterteil! Vor dem Mittagessen haben wir dankend einen zwanzig minütigen Fußmarsch hinter den Kamelen abgelegt. Nach einer Pause und ohne Mura und Samit ging’s dann mit Rhaman zu dritt und 3 Kamelen in Richtung unseres Nachtlagers weiter. Ungefähr zwei Stunden später erreichten wir dann die nächste größere Sanddüne. Nach einem wiederum leckeren Abendessen haben wir uns dann zu Weihnachten wie ein alter Rajasthaner einen kleinen Opium-Tee gegönnt und wahrscheinlich dank diesem sowie des geschützten Nachtlagers eine wunderschöne Weihnachtsnacht unter dem Sternenhimmel erlebt. Nach interessanten Safari-Geschichten von Rhaman und dick eingemummelt haben wir dann den heiligen Abend um 21 Uhr für beendet erklärt. Wir beide sind in einen tiefen Schlaf bis zum Sonnenaufgang gefallen. Vielleicht hatte der Tee doch seine Wirkung gezeigt. Rhaman hat unseren traumhaften Schlaf natürlich auf den Kniddel-Opium zurück geführt, den wir in den Tee gekocht haben. Wie dem auch sei.
Am nächsten Morgen haben wir dann kurz vor Aufbruch den Kamelen Medizin gegen Was-auch-immer verabreicht, die Rhaman am Abend noch über dem Feuer zusammen gebraut hat. Während Rhaman den Kopf festhielt und das Maul der schreienden Kamele öffnete, musste Christian die Brühe den Kamelen in den Rachen schütten. Ein unglaubliches Bild! Nachdem der Trunk verabreicht war hat Rhaman noch in das offene Maul gespuckt und den Kopf des Kamels geschüttelt – „just for good luck“ wie er sagte. Aberglaube ist in Indien unglaublich tief verwurzelt.
Nach dem Mittagessen, der Besichtigung einer Geisterstadt, in der es laut Rhaman nachts wirklich spuke, war unsere Kamel- und Weihnachtssafari beendet. Tolle Eindrücke und das Leben mit Kamelen sowie die traumhafte Ruhe haben uns schöne drei Tage Weihnachten feiern lassen.

Jaisalmer ist geprägt von seinem Fort und den honigfarbenden Sandsteinbauten. Sie wird auch die „Golden City“ genannt. Zum anderen hat die Stadt einen von der Regierung zugelassenen Bhang-Shop, in dem man Marihuana in verschiedenen Varianten erstehen kannst. Insgesamt sind Drogen und insbesondere Opium, trotz Verbot, im traditionellen Rajasthan verbreitet. Opium ist hier so schnell nicht wegzudenken. So bekommst du es auch überall von Straßenhändlern angeboten. Wenn man sie im vorbei gehen passiert, begleiten einen die Händler meist ein paar Meter, um einem dabei ihre komplette Produktpalette anzubieten und zum Schluss auch gerne – wenn auch mit leiser Stimme – Opium und Marihuana.

PUSHKAR:

Mit dem Nachtbus fuhren wir nach Pushkar. Morgens um halb vier Uhr im Regen, der noch 2 Tage anhalten sollte, angekommen, haben wir noch schnell für ein paar Stunden ein Bett gefunden. Am nächsten Tag haben wir dann erfahren, dass es seit 25 Jahren in Rajahstan um diese Jahreszeit nicht mehr geregnet hat – vielen Dank. So haben wir die Stadt zunächst als dreckig, stinkend und trist erlebt. Ihre Entfaltung mit dem Stadtsee und dessen zahlreichen Ghats (Treppen) sowie die umliegende Berglandschaft konnten wir dann erst am Silvestertag so richtig genießen. So haben wir uns auch auf den Weg zu einer kleinen Wanderung rauf auf einen Tempelberg gemacht. An der Vermarktung des Sees mit irgendwelchen Segnungen und dubiosen Zahlungen haben wir uns nicht beteiligt. Die ganze Geschichte rund um das Thema Aberglaube haben wir bisher nicht an uns heran gelassen. Ein Kind beispielsweise, das Christian auf der Straße um 10 Rupien für ein gutes Karma gebeten hat, hat er mit dem Argument „I already have a good karma“ erwidert. Das Kind hat daraufhin beleidigt bei einen anderen Tourist sein Glück versucht.

Ein Schwerpunkt des Silvestertages war die Planung für den Abend. In Pushkar hat man leider ein Problem, wenn man das neue Jahr mit Alkohol begießen möchte. Sie gilt bei den Hindus als heilige Stadt. Es gibt weder Fleisch, Eier oder alkoholische Getränke. Mit diesem Wissen haben wir uns bereits in Jaisalmer mit zwei kleinen Wodkaflaschen bewaffnet. Leider haben wir bei dem tristen Regenwetter an einem Abend fast eine komplette Flasche auf den Kopf gehauen. Aber für alles Verbotene gibt es eine Lösung, die da heißt: Schwarzmarkt. In einem Internet-Restaurant haben wir uns an einem Abend niedergelassen. Beim Zahlen wurde Christian zu seiner Verwunderung ganz nebenbei Bier, Whiskey und – ganz genau – Wodka angeboten, auch gerne zum Mitnehmen. Zudem könnten wir auch gerne zu einem richtigen Omelett in den nächsten Tagen vorbei schauen, da es in diesem Restaurant auch Eier gebe. Hier gibt es also richtige „Eier-Dealer“! Das mit dem Omelett haben wir nicht wahrgenommen, dafür haben wir uns aber an Silvesterabend dorthin auf den Weg gemacht, um unsere Wodkavorräte aufzufrischen. Völlig überteuert haben wir einen letzten Rest Wodka aus einem Küchenversteck erstanden.
Silvester war gerettet. So haben wir nach einem kurzen Besuch auf einer öffentlichen Hotelparty ganz geheim immer wieder mit kleinen Schlückchen Silvester gefeiert.

Ab dem 2. Januar sind wir nun auf dem Weg nach Rishikesh, wo wir uns nach einer Nachtbusfahrt in ein Ashram einnisten wollen. Gebucht sind 12 Tage. Wir sind schon ganz gespannt drauf – Tage voller Meditation, Yoga, Gesänge, … Mal sehn, ob wir uns als neue Menschen wiedermelden! 🙂



MERRY CHRISTMAS!

21 12 2010

Wir nutzen noch schnell unser W-Lan im Hostel und laden die Fotos von Jodhpur hoch. Noch völlig erschlagen von unseren Eindrücken heute bei der Village-Safari in die Bishnoi-Dörfer freuen wir uns auf unsere morgige Weiterreise nach Jaisalmer, nahe der pakistanischen Grenze. Weihnachten werden wir mitten in der Wüste verbringen auf einer dreitägigen Kamelsafari, damit bloß kein Heimweh aufkommen kann! Wir wünschen Euch daher jetzt schon ein frohes Fest!!!