ECUADOR – MILCHWAGENFAHRT, ÄQUATOR UND VIEHMARKT

29 03 2012

VILCABAMBA:
Nach unserem im letzten Artikel beschriebenen Grenzübergang von Peru nach Ecuador, der zu einem Reisemarathon ausartete, kamen wir ziemlich müde und geschafft in Vilcabamba an. Wie fast immer, hatten wir kein Hostel vorgebucht. Normalerweise ist dies auch kein Problem, nur leider ist Vilcabamba ein Erholungsort für gestresste Städter und es war Samstagabend. Somit mussten wir uns erstmal auf die etwas mühevolle Suche nach einem Bett machen. Schließlich fanden wir eine Unterkunft, die sogar mit Swimming-Pool ausgestattet war und einen tollen Blick über die bergige Landschaft bot (was wir natürlich erst am nächsten Tag im Hellen feststellten). Vilcabamba ist ein sogenanntes Aussteigerstädtchen. Viele „Gringos“, vor allem aus den USA – darunter einige Hippies –, haben sich hier niedergelassen, um entweder ihr Rentenalter zu verbringen oder sich mit einem Restaurant oder ähnlichem eine Existenz aufzubauen. Dementsprechend wird dem Touristen einiges an westlichen Gerichten geboten und wir ließen uns in den nächsten Tagen von den Reisestrapazen mit Pfannkuchen, Joghurt, frischen Säften, Kuchen und Pizza aufpeppeln.
Bekannt ist Vilcabamba vor allem wegen seiner langlebigen Bewohner. Man nennt es auch das „Tal der Hundertjährigen“. Zurückzuführen ist dies u.a. auf das ganzjährig gesunde Klima, die ausgewogene Ernährung und die ständige Bewegung der Bewohner.

CUENCA:
Nachdem wir uns erholt hatten, war unser nächstes Ziel die Stadt Cuenca, zwischen Vilcabamba und Quito gelegen. Als drittgrößte Stadt Ecuadors hat Cuenca einiges zu bieten und wir fühlten uns an den drei Tagen hier sehr wohl. Wir bestaunten den Plaza Calderón mit seinen Kathedralen und die vielen architektonischen Schmuckstücke in der Altstadt, die der Stadt zurecht den Spitznamen „Athen Ecuadors“ geben.

QUILOTOA-LOOP:
Nachdem wir in Peru quasi nur die attraktivsten Städte besucht hatten, wollten wir in Ecuador wieder etwas mehr Ursprünglichkeit erleben. Wir entschieden uns daher für den dreitägigen „Quilotoa-Loop“, einen Rundweg per Bus und zu Fuß durch verschiedene Andendörfer. Nach einer erneuten Nachtbusfahrt kamen wir frühmorgens um sechs Uhr in Latacunga an, dem Ausgangspunkt für den bevorstehenden Loop. Nach einem kurzen Stopp in einem Hostel, welches uns zum einen mit den nötigen Informationen versorgte und wo wir außerdem einen unserer großen Rucksäcke lassen konnten, saßen wir schon um acht Uhr morgens im Bus in Richtung Andenhochland und Quilotoa, das wir zwei Stunden später erreichten. Quilotoa hat ein Vulkankrater mit einer gleichnamigen Lagune auf 3.900 Höhenmetern. Wir genossen zunächst die schöne Aussicht auf den Krater und stiegen dann hinab zur von Mineralien gefärbten türkisblauen Lagune. Zum Glück waren wir so früh morgens da, denn ab mittags zog sich der Himmel zu und es wurde in Richtung null Grad ungemütlich kalt – kein Wunder bei der Höhe! Nach einem Mittagspäuschen und ein paar Fotos unten begaben wir uns auf den anstrengenden Wiederaufstieg zurück nach Quilotoa. Wir entschieden uns, den Nachmittag und die Nacht in dem Örtchen zu verbringen. Die wenigen Unterkunftsmöglichkeiten hier werden von indigenen Familien betrieben. Man konnte die Zeit eigentlich nur vor dem Holzofen im Aufenthaltsraum der Familie oder im Bett verbringen. Das kam uns aufgrund der vorangegangenen Nacht im Bus ganz gelegen und so lagen wir früh dick eingemummelt mit Mütze, Schal und dicken Socken im Bett. Am nächsten Morgen ging es früh los, denn wir hatten einiges vor. Wir hatten von einem anderen Traveller gehört, dass man in einem Tag bis zum Ort Isinlivi wandern könnte und so war dies unser Tagesziel. Wir wollten uns am oberen Rand der Lagune halten und dann durch ein Flußtal bis Chugchilan wandern. Zunächst bestand aber das Problem, den Weg zu finden, denn es war sehr neblig. Der Kratersee zeigte sich nur sporadisch. Glücklicherweise begegneten wir immer wieder Einheimischen, die Wegabschnitte unserer Route anscheinend täglich hinlegen und uns immer bereitwillig Auskünfte über die Richtung gaben. Einige Male fühlten wir uns an unseren Trek in Nepal erinnert – nicht zuletzt, weil die Zeitangaben der Einheimischen für die Streckenabschnitte immer viel zu positiv geschätzt waren… 🙂 Nach der halben Umrundung der Lagune machten wir uns auf den Weg abwärts bis zu einem kleinen Dorf. Von dort ging es weiter bis zu dem anvisierten Flusstal. Auf der anderen Seite sahen wir schon Chugchilan, nur leider lagen dazwischen einige hundert Höhenmeter, die wir erst runter und dann wieder hochkraxeln mussten… Trotzdem waren wir gut in der Zeit und machten uns nach einem Mittagessen in Chugchilan frohen Mutes auf den weiteren Weg nach Isinlivi. Schon nach einer halben Stunde stellten wir aber fest, warum alle Traveller immer von Schwierigkeiten gesprochen hatten, den Weg zu finden! Trotz einer guten Wegbeschreibung inklusive Karte mussten wir einige Male rätseln und auf gut Glück weiterwandern. Leider verließ uns einmal das Glück und wir stiegen ein beträchtliches Stück einen Berg umsonst hinab. Eine ältere Frau hatte uns anscheinend versucht zu warnen – doch leider sprach sie nur Quechua, wir verstanden kein Wort und interpretierten zudem das wilde Rumfuchteln mit ihren Händen einfach falsch. Es fing dann auch noch richtig an zu regnen und wir fragten uns, warum wir nicht doch in Chugchilan geblieben waren… Aber das Schlimmste stand uns noch bevor: Wir haben schon einige abenteuerliche Brücken auf unserer Reise überqueren müssen, nur an diesem Tag wurden alle getoppt! Vor uns tat sich ein Holzstamm auf, der über den ca. 20m breiten Fluss führte. In ca. 50cm Höhe über dem Stamm war ein Draht als Handlauf gespannt und sollte eine Stütze auf dem Stamm geben. Das gab uns jetzt nicht die absolute Sicherheit. Zudem hatte der Regen die Bedingungen nicht gerade verbessert. Aber es half ja nichts. Wenn wir weiter wollten, mussten wir uns an die Flussüberquerung auf diesem Wege begeben. Wir fassten schlussendlich unseren Mut und schafften es zwar mit Herzklopfen, aber unbeschadet. Leider lag Isinlivi nicht direkt an der anderen Flussseite, sondern wieder auf der Höhe und somit mussten unsere müden Beine nochmal einige Höhenmeter überwinden. Nach über neun Stunden hatten wir es dann endlich geschafft und erreichten todmüde das kleine Andendorf und damit unseren Schlafplatz. Hierbei handelte es sich um ein unheimlich gemütliches Hostel, welches nicht nur durch Holzwärme schön aufgeheizt war, sondern auch noch über richtig heiße Duschen und eine superleckere Verpflegung verfügte. Die Strapazen hatten sich also gelohnt, auch wenn wir im Hostel erfuhren, dass es nicht viele Verrückte gibt, die diese Wegstrecke an einem Tag zurücklegen… Kein Wunder, dass uns nachher für mehrere Tage alles weh tat und wir vom Trekken erstmal wieder genug hatten.
Am nächsten Morgen war das Abenteuer aber noch nicht vorbei. Da Isinlivi an das nächstgrößere Dorf Toacaso nur mit einem Bus pro Tag um drei Uhr morgens (!) angeschlossen ist, hatten wir uns für die Fahrt mit dem sogenannten Milk-Truck entschieden. Dieser fährt alle kleinen Bauernhöfe und Siedlungen auf dem Weg ab und sammelt die gefüllten Milcheimer von den frisch gemolkenen Kühen ein. Es werden dabei so zwischen fünf und dreißig Liter lauwarme Milch pro Stopp „aufgetankt“. Diese Milch wird auf sechs Plastiktonnen mit insgesamt 900 Liter Fassungsvermögen hinten auf der Pritsche jeden Morgen – es fahren auch noch andere Milchlaster – von diesem LKW aufgenommen. Außerdem dient er für die abgelegene Gegend als Taxi, um den einen oder anderen Anwohner wie auch Traveller mit nach Toacaso zu bringen. Die Fahrt war wirklich ein einmaliges Erlebnsi! Von Toacaso aus fuhren wir wieder zivilisiert mit dem Bus zurück nach Latacunga, holten unseren zurückgelassenen Rucksack ab und machten uns gleich weiter auf den Weg nach Quito.

QUITO & MITAD DEL MUNDO:
Die Hauptstadt und zweitgrößte Stadt des Landes empfing uns mit den stärksten Regengüssen, die wir seit Asien erlebt hatten. Vom Busbahnhof fuhren wir mit dem Linienbus weiter ins Touristenviertel La Mariscal. Hier gefiel es uns aber aufgrund der massenhaften Partyanlagen und überteuerten Hostels überhaupt nicht. Wir setzten uns also kurzerhand wieder in den Bus in die Altstadt und fanden auf Anhieb ein nettes Hostel, welches eher unserem Wohlbefinden und Reisebudget für Ecuador entsprach. Nach den vollgepackten vergangenen Tagen machten wir am Ankunftstag erstmal gar nichts mehr. Am folgenden Morgen machten wir einen Rundgang durch die Altstadt. Dabei gingen wir wie so oft in Südamerika über gepflegte Plätze und öffentliche Anlagen. Wir streiften den Präsidentenpalast und zahlreiche, unterschiedliche, aber durchweg prunkvolle katholische Kathedralen. Die Basilika besuchten wir zwei Mal, da an diesem Tag eine große Demonstration in Quito anstand und die Basilika an diesem Tag geschlossen war. Beim zweiten Besuch machten wir uns in das Innere und waren beeindruckt von den zahlreichen Altären, Vergoldungen und den Fenstern der Kirche, die einst von Papst Johannes Paul II. besucht und für den eine Statue hier errichtet wurde.
Zwischen den Stadtrundgängen stand außerdem ein Besuch am Äquator in San Antonio de Pichincha ca. 20 Kilometer nördlich von Quito an. 1736 markierte hier ein französischer Wissenschaftler als erster die angeblich genaue Position des Äquators, wie es heißt mit Hilfe einer Triangel. An diesem Punkt wurde vor knapp 30 Jahren ein 30 Meter hohes Monument mit einem Erdball aus Stein auf der Spitze sowie verschiedenen Gebäuden errichtet. Das umzäunte Gelände wird als Äquator-Dorf (Ciudad Mitad del Mundo) vermarktet und ist u. a. mit einem Planetarium eine riesige Touristenattraktion. Es informiert auch über Unterschiede in der Erdanziehung. Demzufolge ist jeder Mensch am Äquator im Vergleich zu einer der beiden Pole um vier Kilogramm leichter. Alle Informationen, die hier vermittelt werden, sind im Sinne des Äquators richtig. Jedoch musste man nach einer Überprüfung seit dem Zeitalter des GPS feststellen, dass der echte Äquator etwa 240 Meter weiter nördlich liegt.
Unglaublicherweise gibt es Überreste eines Bauwerkes aus der Präinkazeit, die beweisen, dass schon zu diesem Zeitalter die Position der Erdmitte richtig bestimmt wurde. Diese Überreste werden auf über 1000 Jahre alt geschätzt und werden nach Restaurierungen inklusive weiterer Nachbauten sowie Stiftungen aus anderen Ländern als Freilichtmuseum mit dem Namen „Inti-Nan“ heute zur Besichtigung frei gegeben. Bei unserem Besuch inklusive Führung erhielten wir zunächst einige Informationen zum ursprünglichen Amazonasleben und dessen Bewohnern. So gibt es heute noch etwa 2000 Menschen, die im Urwald fernab vom zivilisierten Leben, wie wir es kennen, leben. Sie gehören dem Volk der Wuaorani an. Ihr Leben beschränkt sich aufs Überleben durch Jagen und Sammeln und sie haben nur wenig Kontakt zu westlichen Menschen. Geschätzte 500 von ihnen leben auch heute noch völlig zurück gezogen im Urwald und sollen bis heute keinen Kontakt zur Außenwelt gehabt haben.
Nach diesen erstem Bereich ging es dann weiter zum eigentlichen Bestandteil der Führung. Der Äquator wurde vor rund 1000 Jahren aufgrund der Sternbilder sowie Sonne und Mond, die eine große Bedeutung bei den Ureinwohnervölkern darstellten, ermittelt. Verschiedene Phänomene wurden uns auf und rund um die Äquatorlinie gezeigt. Einen Tag vor unserem Besuch war die Herbstsonnenwende und somit stand die Sonne fast noch senkrecht über dem Äquator. Dieses Ereignis zeigt sich genau zwei Mal im Jahr – das eine Mal im Frühjahr und das andere Mal im Herbst. Wir machten Experimente mit der Richtung des Wasserabflusses auf der Süd- und auf der Nordhalbkugel. Zudem wurde gezeigt, dass ein rohes Ei auf der Äquatorlinie auf einem Nagel aufgestellt werden kann. Christian schaffte es und darf sich von nun an „zertifizierter Eggmaster“ nennen. ;-)Abschließend gingen wir in das originale Gebäude, dass bereits früher über einen Stall für Meerschweinchen verfügte, die nicht nur als Delikatesse, sondern auch als Erdbebenvorboten gehalten wurden.
Nach dem Besuch setzten wir uns wieder in einen Linienbus, der uns zurück nach Quito bringen sollte. Jedoch machten wir eine unfreiwillige Rundfahrt um Quito und bemerkten es kurz vor der Rückankunft am Äquator-Monument, dass wir fast komplett ein Mal die Linie durchgefahren waren – draußen regnete es sowieso, daher waren die zusätzlichen Stunden im Bus nicht weiter tragisch.

OTAVALO:
Wir hatten unsere Tage in Quito so abgepasst, dass wir auf dem Weg in den Norden zur kolumbianischen Grenze einen Besuch des Samstagmarktes in Otavalo einschieben konnten. Denn nachdem wir uns über 16 Monate beim Souvernirkauf extrem zurückgehalten hatten, wollten wir hier nun endlich durchstarten. Und was eignet sich dazu wohl besser, als einer der größten Artesania-Märkte des Kontinents?! Zunächst aber ging es morgens zum ebenfalls wöchentlich stattfindenden Viehmarkt. Hier kaufen und verkaufen die Otavalos und die Bewohner aus der umliegenden Provinz Nutzvieh und Haustiere. Wir kamen aus dem Staunen gar nicht heraus und wussten oft nicht, wo wir zuerst hinschauen bzw. fotografieren sollten. Es war ein absolutes Gewusel aus Schweinen, Rindern, Schafen, Ziegen, Llamas, Hunden, Pferden, Enten, Hühnern, Kaninchen und Meerschweinchen (letztere auch hier nicht zum Verkauf als Haustiere, sondern als Delikatesse). Dazu kamen die stolzen Bewohner, besonders die Frauen in aufwendiger Kleidung und Schmuck. Aber nicht nur die Augen hatten was zu Staunen. Unvergesslich wird uns wohl das Quicken der verkauften Schweine bleiben, die auf die Hänger geschoben und gezogen werden mussten.
Nach vielen Eindrücken und den Schuhen voller Matsch gingen wir dann zum nächsten Event des Tages über und begutachteten die unzähligen Stände mit südamerikanischem Kunsthandwerk. Nach einem leckeren Mittagessen vom Markt, welches aus frisch gebratenem Schwein, Mais, Tortillas und Salat bestand, überfiel uns endlich der Kaufrausch!
Am nächsten Tag ging es direkt weiter mit Neuerwerbungen, denn wir machten uns auf ins 20 Minuten entfernte Cotacachi. Dieses Städtchen ist bekannt für seine Lederwaren. Auf einer eher unscheinbaren Straße tummeln sich die Ledergeschäfte, die uns direkt zum weiteren Kauf animierten.
Mit einigen Kilogramm schwererem Gepäck geht es nun weiter in unser vorletztes Reiseland Kolumbien. Ecuador verlassen wir mit vielen schönen Erinnerungen und behalten vor allem die Herzlichkeit und das immer offene und breite Lächeln der Einwohner im Gedächtnis.