RAJASTHAN I: SEEN UND PALÄSTE

17 12 2010

AHMEDABAD:
Zum Nikolaus hatten wir uns ja einen Flug Richtung Norden gegönnt – und es wurde auch Zeit, denn den Südosten hatte der zweite Monsun des Jahres inzwischen fest im Griff. Nach einer Fahrt durch tiefe „Wasserstraßen“, entstanden durch verstopfte oder nicht vorhandene Abwasserkanäle sowie die Regenmassen, und voll befahrene Straßen, kamen wir mit feuchtem Hintern aufgrund einer nassen Rückbank unseres Taxis am Flughafen Chennai an. Nach über 24 Stunden Dauerregen werden in Indien auch schon mal die Autos undicht… Umgezogen, eingecheckt und abgehoben landeten wir nach einem etwa zweistündigen Flug in der Millionenstadt (ok, keine Besonderheit in Indien) Ahmedabad an. Relativ unspektakulär, aber als Deutsche haben wir wohl eine weitere Untermauerung für uns gebraucht, dass diese Großstädte eindeutig zu anstrengend für uns sind! Die Menschenmassen und die ständige Geräuschkulisse gepaart mit dieser Luftverschmutzung und den nicht weg zu denkenden Müllmassen, die schier aus dem Boden wachsen sind – kurz gesagt – einfach nichts für uns.Wir fanden etwas Ruhe von allem in Gandhis Ashram, in dem er von 1917 bis 1930 lebte und der heute als Museum über sein Leben dient. Einen weiteren Großteil unseres Tages in Ahmedabad verbrachten wir mit dem Verschicken unserer Weihnachtspostkarten! Pro Postkarte 3 Briefmarken, alle liebevoll einzeln und von Hand mit dem Kleister aus dem „Kleistertopf für alle“ im Postamt festgeklebt. Wir hoffen, es hat sich gelohnt und die Post erreicht Euch bald!

UDAIPUR:
Wieder einmal eine 11-stündige Zugfahrt brachte uns ans nächste Ziel: Udaipur im Bundesstaat Rajasthan, bekanntes und beliebtes Reiseziel aufgrund seiner vergangenen Fürstentümer und dem – außerhalb der Touristenhochburgen – noch stark traditionell geprägten Leben. Dieser Bundesstaat wird nach unserem Plan bis Neujahr unser „Heimatland“ sein.
Schon auf dem Weg dorthin machten wir Bekanntschaft mit seinen stolzen Einwohnern – besonders die älteren Frauen hatten eindeutig Probleme damit, mit uns die Sitzbank im Zug zu teilen. So kommt man sich noch stärker als Fremder vor… Aber auch hier gibt es junge, intelligente und offene Menschen. Wiederum machten wir Bekanntschaft mit einer Gruppe von Jungs, die sehr offen über die nicht zu übersehenden Probleme ihres Landes sprachen – Armut, Korruption, fehlende Bildung, um nur einige zu nennen. Der Nachwuchs der Mittelschicht macht da teilweise Hoffnung, dass sich vielleicht eines Tages etwas ändern könnte… Aber auch hier wie in jeder anderen Bevölkerungsschicht ist der tief verwurzelte Glaube von großer Bedeutung und Einfluss wie uns die Jungs berichteten – Kastenwesen, das offiziell abgeschafft ist sowie Mitgift der Brautfamilie bei Hochzeiten usw. sind in der Landbevölkerung allgegenwärtig. Einer der Jungs beispielsweise wurde beim Kinobesuch mit seiner Freundin von deren Vater erwischt, der diese Beziehung nicht duldet obwohl beide Familien der gleichen Kaste angehören. Der Tochter arrangiere er einen anderen Mann zur Heirat, sagt der Vater. Der 19-jährige Junge plant stattdessen sein Studium zum Elektro-Ingenieur so schnell wie möglich abzuschließen, um dann mit seiner Liebsten durchzubrennen. Die Liebe zueinander wird modern und heimlich mit Chatten und Skypen aufrecht erhalten. Getroffen hätten sie sich 6 Monate nicht mehr – bald sei dies aber wieder geplant. Insbesondere die Großstädte wie Delhi, Mumbai und Chennai seien mit Kasten übergreifenden Beziehungen offener, auch aufgrund der herrschenden Anonymität der Familien in der Stadt. Dort verlieren die Familien nicht ihr Gesicht vor der Provingemeinschaft.

Udaipur ist mit einem Wort einfach zauberhaft, besonders auf der von uns gewählten Seeseite, die erheblich ruhiger ist. Unsere Frühstücke am Ufer und die Nachmittage auf unserem Balkon mit herrlichem Ausblick werden meist nur durch die Gesänge in dem benachbarten Tempel sowie durch das ständige Wäscheklopfen der Frauen an den zahlreichen Ghats (Stufen) am Seeufer begleitet. Von diesen beiden Plätzen aus lassen sich auch herrlich die Inder beobachten, die ihr tägliches Bad in den eiskalten Fluten durchführen – Respekt!! Die Lebensader der Stadt liegt auf der anderen Seeseite. In einer schmalen Hauptstraße von ca. 1 km Länge spielt sich das ganze Leben um Touristen, Rikschas, Roller, Autos und Straßenverkäufern ab. Diese Straße ist wirklich für einen halbwegs zivilisierten Mitteleuropäer als Hauptstraße nicht zu genießen, da sie durchgängig nicht viel breiter als eine Seitengasse eines mittelgroßen Untermoseldorf ist. Man muss sich vorstellen, dass bei dieser Masse an Menschen und Vehikeln ein ständiger Stau mit Unmengen von Abgasen einem als Passant entgegnet. Dazu kommen die permanenten Ansprachen der Straßenverkäufer. Nach ein paar Tagen haben wir den Besuch dieser Straße auf ein Minimum reduziert und uns den angenehmen Seiten Udaipurs wie beschrieben gewidmet. Hinzu kamen eine Seerundfahrt und eine Erkundungstour mit dem Fahrrad. Dabei ließen wir es uns nicht nehmen den Monsunpalast in knapp 1.000 m Höhe zu besichtigen. Wir waren allerdings die Einzigen, die dies mit dem (meistens schiebenden) Fahrrad taten. Inder wie ausländische Touristen belächelten uns meist mitleidig, wenn sie uns in ihren motorisierten Gefährten überholten… Danach waren wir rotzefertig und froh unsere beiden Fahrräder wieder abgeben zu können. Das Rad von Kristin war gefühlt aus der Kolonialzeit übrig geblieben und ein echter Drahtesel, dessen Beherrschung es in sich hatte.

Bekannt ist Udaipur übrigens aus dem James-Bond-Film Octopussy, der größtenteils hier sowie in Berlin und Chemnitz gedreht wurde. Jeden Abend wird der Film in zig Restaurants gezeigt.

Nach 5 Tagen sollte der ganze Spaß in Udaipur für beendet erklärt werden, wäre da nicht etwas Unplanmäßiges passiert. Christians Magen bzw. Darm spielte eines Mittags nicht mehr mit und zwar nach eigenen Aussagen „so schlimm wie noch nie in meinem Leben zuvor“. Zum Glück haben wir eine super Unterkunft, geführt von einer netten Französin und ihrem indischen Freund samt Familienanschluss gehabt. Wir verlängerten um 2 Nächte und änderten ein wenig unsere Route. Yoga und sonstige Angebote ließen die Tage hier auch nicht langweilig werden.

BUNDI:
Etwas abseits der Touristenströme aber dafür nicht weniger attraktiv liegt Bundi, ein relativ kleines Städtchen mit – natürlich – einem riesigen Palast. Hier konnten wir uns u.a. auf unser nächstes Ziel, Jodhpur, vorbereiten, das als „blaue Stadt“ bekannt ist. Auch nach Bundi ist schon viel auf dessen Häuser von der blauen Farbe übergeschwappt. Ansonsten haben wir zwei Tage lang wieder sehr gut gegessen und dieses mit ausgiebigen Spaziergängen in und um die Stadt verarbeitet. Von dem wunderbaren Koch unserer Unterkunft haben wir uns dann – auch in Gedanken an die Daheimgebliebenen im Winter (übrigens wird es auch hier nun nachts schattig!) – eines der Nationalgetränke Indiens vorkochen lassen, ohne das wir uns die Tage hier gar nicht mehr vorstellen könnten.

How to make Masala Chai (2 Gläser):
1 Glas Milch und 1 Glas Wasser mit 3 Löffeln indischem, schwarzem Tee und 5 gehäuften Teelöffeln Kristallzucker und 1 Teelöffel Masala-Gewürzmischung (falls nicht zur Hand: geriebener Mix aus Muskatnuss, weißem und schwarzem Pfeffer, Zimt, Lorbeerblättern, Safran, Kardamom) und 1 Knolle platt gehauenen frischen Ingwer (mit Schale) in einem möglichst alten und schon oft für Chai benutzten Topf zum Kochen bringen, – also einfach alles rein – von der Flamme nehmen und schwenken, erneut aufkochen und Vorgang noch mindestens zweimal wiederholen, mit feinem Sieb über den Gläsern aussieben und möglichst heiß servieren – FERTIG!
Für einfachen Chai lässt man einfach die Masala-Mischung weg, Hauptsache Zucker und Ingwer sind drin! Davon so 4-5 am Tag zu jeder Uhrzeit – Chai makes you strong… hörten wir schon mehrmals.



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1 Antwort zu “RAJASTHAN I: SEEN UND PALÄSTE”

  • Sigrid sagt:

    In Nepal ist Buttertee das Nationalgetränk – stand heute in den Westfälischen Nachrichten. Ich bin gespannt, wie Euch der schmeckt. Weiterhin alles Gute!

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