Felstempel, Bildhauerkunst und Monsun in Sued- / Suedostindien

5 12 2010

HAMPI:
Die Tempelruinenstadt Vijayanagar (kurz: Hampi) ist einer der beeindruckendsten Orte, die wir je sehen durfte. Auf einer riesengroßen Fläche von 26 km² tummeln sich eine Vielzahl von mehr oder weniger gut erhaltenen 400-500 Jahre alter Tempelruinen. Hinzu kommt die traumhafte Landschaft am Fluss mit unendlich vielen Steinformationen, bereichert von Bananen- und Kokosplantagen. Im Hauptort, Hampi Bazaar, ist man bestens auf die zahlreichen Touristen und Pilger mit Guesthouses und Restaurants eingerichtet. Trotzdem kann man einen Eindruck vom immer noch sehr ursprünglichen Leben der Einheimischen kennenlernen. In den Nebenstraßen von Hampi Bazaar leben sie ihr Dorfleben ungeachtet der Touristenströme weiter. Dort konnten wir beobachten wie die öffentlichen Wasserstellen angezapft werden, da in vielen Hütten und Häuschen kein fließend Wasser vorhanden ist. Dieses wird ebenso für die Handwäsche auf dem Steinboden verwendet. Zudem wird auch am Fluss die Wäsche gewaschen. Nach getaner Arbeit nehmen die Einheimischen wie es Indien gerne üblich ist, selber ihr Bad oder kommen dafür extra zum Fluss, um sich zu „reinigen“. Wenn wir es nicht wüssten, könnte man denken, sie machen das nur für die Touristen. Es ist jedoch das wahre Leben…
So langsam hatte unser Immunsystem dann übrigens doch genug von den fremden Einflüssen und so kränkeln wir seit Benaulim mit Erkältung, Fieberschüben und Kopfschmerzen. So machte Kristin sich am zweiten Morgen allein auf den Weg zum Fluss und machte die Bekanntschaft mit Lakshmi, dem Tempelelefanten, der zu seinem morgendlichen Bad im Fluss unterwegs war. Wenn so ein Riese vor einem steht – das ist ein unglaubliches Gefühl.

Wird einem das ständige Angequatsche der Straßenhändler und Riksha-Fahrer zu viel, flüchtet man einfach an den Fluss oder wandert durch die Felsenlandschaft. Das erste Mal richtig auf den Keks gingen uns die indischen Touristen, die schon bis zur Unverschämtheit aufdringlich wurden. Wie sagte eine Schwedin, die wir auf der späteren Weiterfahrt kennenlernten: „I love the country and the people, but I feel sometimes as I were an UFO.“

BIJAPUR:
Da wir unsere weitere Fahrt erst für Dienstag ab Hampi gebucht hatten, machten wir uns am Sonntag noch für 2 Tage auf den Weg nach Bijapur, einer stark islamisch geprägten Stadt. Allein die Fahrt hat dieses Ziel schon gerechtfertigt, denn wir waren das erste Mal längere Zeit (6 Stunden) mit einem staatlichen Klapperbus unterwegs. Da soll noch einer sagen, Mittel- und Südamerika hätten keine gute Infrastruktur – diese Straßen übertrafen wahrscheinlich alles! Ein einziges Geruckel und Gehüpfe über Schlaglöcher sowie dazu die schon bekannten Überholmanöver. Das Einscheren nach dem Überholen bei entgegenkommendem Verkehr von Bussen und riesigen LKWs ließ uns alles andere als an Bijapur und dessen Sehenswürdigkeiten denken… Als wir dann noch einen am Seitenrand stehenden Bus mit weggerissenem Fahrerplatz passierten, wussten wir spätestens, dass die Männer am Lenkrad es ernst meinen.

Bijapur ist ebenfalls eindrucksvoll gewesen, vor allem weil es endlich auch mal abseits der Touristenpfade lag und wir hier wirkliche „Außerirdische“ waren. Die Moscheen und Mausoleen der verschiedenen Sultane, die hier herrschten, sind toll anzusehen und quer durch die Stadt verteilt. Das Golgumbaz-Mausoleum ist von einer halbrunden Kuppel gekrönt, nach dem Petersdom (nur 5m breiter) die zweitgrößte der Welt! Nur war hier kein Michelangelo oder sonstiger Künstler am Werk und so ist sie innen schlicht weiß gehalten. Oben befindet sich die Whispering Gallery, einem Wandelgang rings um das Innere der Kuppel, in der wir auch unsere Töne zum besten gegeben haben. Der Klang und das Echo sind in dieser Halbkugel wirklich beeindruckend.

MAMALLAPURAM:
Vorher müssen wir noch 1-2 Sätze über die Fahrt verlieren. Immerhin ging es vom Westen an die Ostküste – und das in schlappen 30 Stunden und 6 Etappen (überwiegend Bahn), darunter ein sechsstündiger Aufenthalt am Bahnhof von Gadag, einer absoluten Provinzstadt, in der unsere reine Anwesenheit schon einen Aufruhr verursachte. Viele Inder sind wirklich unglaublich neugierig und so stehen schnell mal 20-30 Leute aller Altersklassen um einen rum. Eine neue Erfahrung war auch unsere erste Nachtfahrt im Zug von Hospet nach Bangalore – zum Glück in einer besseren Klasse, wo wir so gut geschlafen haben, dass wir den Ausstieg verpasst hätten, wenn es nicht die Endstation gewesen wäre und das Putzkommando uns rausgeschmissen hätte. Wir haben nun von zwei der größten Städte Indiens (Bangalore und Chennai) nur die Bahnhöfe gesehen, sind aber sehr froh, dass wir noch nach Mamallapuram gefahren sind, einem kleinen, verschlafenen Örtchen, welches vom Tourismus lebt.
Hier erleben wir hautnah den Nordwestmonsun mit und merken mal wieder, wie schön es trotz Regen doch ist, wenn man etwas mehr Zeit an einem Ort ist und nicht nur schnell, schnell alle Sehenswürdigkeiten abklappert. So haben wir einen halben Tag bei Etti in seinem Schneiderladen verbracht – obwohl Christian eigentlich nur nach einem „Sleeping Inlet“ fragen wollte, weil er seines in Benaulim vergessen hatte. Nach den Verhandlungen waren wir schnell Freunde (auch weil wir die ersten Kunden des Tages waren und somit Good Luck nach Indischem Glauben brachten) und haben neben der interessanten Arbeitsweise mit altertümlichen Nähmaschinen auch noch einiges über die indische Lebensweise erfahren. So erzählte Etti uns von seiner „arrangierten Ehe“, die er aus Respekt gegenüber den Eltern einging, obwohl er eigentlich eine andere Frau liebte. Mit seinem Bruder dagegen redet er kein Wort mehr, weil dieser sich nicht auf seine Seite gestellt hatte, sondern die Ehe mit arrangierte. Mittlerweile ist er auch so glücklich, möchte aber seinen eigenen Kindern die freie Wahl lassen. Nach der harten Arbeit an dem „Sleeping Inlet“ bot Etti an, ein Mittagessen zu holen, was unglaublich billig und gesund wäre und das ganze nur für insgesamt 1 Euro. Wir willigten gerne ein. Es blieb nur die Frage offen, wer seinen Laden schmeißen sollte, während er auf seinem Zweiradflitzer unser Mittagessen holte. Na klar, die neuen „15-Minuten-Inhaber“ hießen Kristin und Christian. Tatsächlich kam kurzerhand eine Japanerin in den Laden. Dank unserer kompetenten Beratung haben wir sie als Kundin gewonnen, die 2 Oberteile in Auftrag gab! Nachdem Etti’s neue Kundin dann endlich abgearbeitet war, konnten wir zum gemütlichen Teil übergehen. Etti hat uns unser Mitagessen aufgetischt und nach seinen Instruktionen auf indische Art, das Essen schön brav nur mit der rechten Hand zu sich zu nehmen (die Linke wird ja zum … abwischen benutzt…), verspeist. Wir wurden alle drei von einem traumhaft komplexen, vegetarischen Essen richtig gesättigt. Nachdem wir nun bereits ca. 5 Stunden in Etti’s Laden verbrachten, ist irgendwie eine kleine Kurzzeitfreundschaft entstanden. Einen Tag später nahm er uns abends mit zu seinem Lieblingsstraßenrestaurant, wo wir ebenfalls super bedient wurden und mittlerweile schon alte Profis in der indischen Essweise waren. Seitdem vergeht kein Tag ohne kleinen Talk mit Etti.

Auch die zweite Begegnung mit Großtieren machte Kristin allein, da der grippale Infekt Christian noch voll im Griff hatte. In der „Crocodile Bank“ konnte Kristin Hunderte von Krokodilen verschiedenster Herkunftsländer bewundern, darunter die größte Art mit knapp acht Metern Länge. Gruselig, wie die Viecher da übereinander krabbelten und nur durch eine Mauer, die eindeutig zu klein erschien, von der Freiheit getrennt sind!

Wir dachten, Etti wäre schon unser Highlight dieses schnuckeligen Örtchens, aber weit gefehlt. Wir wurden außerdem von der Straße für einen Werbespot weggecastet. Wir saßen ganz friedlich auf dem Balkon unseres Gasthauses in Unterhaltung mit einem anderen Deutschen, als wir angesprochen wurden. Tags darauf saßen wir morgens um halb 8 bereits im Taxi und fuhren Richtung Chennai zum Set. Nun sind wir Werbestars. Naja, wir waren zwar nur Statisten und mussten den ganzen Tag im Regen sitzen während die echten „Stars“ schön im Trockenen gehalten wurden, aber wer weiß welche Aufträge jetzt noch kommen… Zudem sind wir ganz stolz auf unser erstes verdientes Geld unserer Reise. Für einen fürstlichen Lohn von ca. 13€ pro Person und außerdem free breakfast and lunch verbrachten wir den Tag auf dem Vorplatz einer Softwarefirma, wo ein Werbespot für eine Kaffeemarke gedreht wurde. Wir sind gespannt, wie sich der sehr hellhäutige und ständig traurig dreinblickende indische Hauptdarsteller und seine osteuropäische, grundlos eingebildete Kollegin mit uns (vier Deutschen und einem Franzosen) im Hintergrund dann so im TV machen. Beeindruckt waren wir vom Einfallsreichtum der Inder – so wurde der dampfende Kaffee kurzerhand durch Räucherstäbchen in der Tasse imitiert! Der Spot soll in einigen Wochen auf Sendung gehen. Wir können ihn uns wohl auf youtube anschauen. Bei der merkwürdigen Drehweise der Inder, hoffen wir einfach nur, dass vom Hintergrund irgendetwas zu erkennen sein wird.
Gerade noch so am letzten Tag schafften wir dann auch noch trotz anhaltendem Monsunregen die kulturellen Highlights von Mamallapuram, welches durch eine seit Jahrtausenden bestehende Steinmetztradition bekannt wurde. Aus und in einzelne Felsbrocken wurden beeindruckende Monumente geschlagen (s. Fotos). Auch die heute noch hergestellten Skulpturen sind schön anzusehen – aber leider passt ein fast lebensgroßer Steinelefant nun wirklich nicht in unser Gepäck!

Am Montag geht’s dann mit dem Flieger von Chennai Richtung Norden nach Ahmedabad und dann in den Bundesstaat Rajasthan. Soeben haben wir auch eine Zusage fuer den Aufenthalt in einem Ashram in Rishikesh fuer Anfang Januar erhalten 🙂 :-), bis dahin wird nun geplant!



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2 Antworten zu “Felstempel, Bildhauerkunst und Monsun in Sued- / Suedostindien”

  • Schwestern sagt:

    Hallo Ihr Zwei!
    Geva und ich haben heute mit Wonne eure tollen Urlaubsfotos und Einträge gelesen. Wir frieren uns hier den Arsch ab bei -6°C. Hoffe euch gehts weiter gut und habt viel Spass an euere Reise. Wir halten hier noch die Stellung. Zu Hause ist alles klar. Vielleicht Hochwasser.

    Liebe Grüße Verena und Geva

    PS Es ist vollbracht die 2 Buchstaben sind eingereicht.

  • Giadda sagt:

    Hab gerade Eure neuen Einträge gelesen – von Schneider Etti, dem Filmdreh und den Krokodilen. Wie geil! Das ist genau die richtige Lektüre nach einem anstrengenden Arbeitstag – macht sofort gute Laune! 🙂 Ich wünsch Euch weiterhin ganz viel Spaß und freue mich auf die nächsten Berichte! Hoffentlich gehts Euch gesundheitlich schon wieder ein bisschen besser. Ganz liebe Grüße aus dem winterlichen Deutschland!

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