GOA – ALT-HIPPIES, KUEHE AM STRAND UND TECHNO

18 11 2010

Unsere ersten Tage in Goa liegen hinter uns und der Kulturschock zu Mumbai ist kaum in Worte zu fassen… Aber erstmal der Reihe nach.

ZUGFAHRT:
Am Samstag morgen ging’s früh um sechs zum Bahnhof in Mumbai – zum Glück nicht weit zu laufen, aber der Weg hat gereicht. Denn zu dieser frühen Stunde ist das Elend in den Straßen doch noch greifbarer – man muss quasi aufpassen, dass man nicht drauf tritt. Die Bürgersteige und Hauseingänge sind gepflastert von schlafenden Obdachlosen.
Auch der Bahnhof sah nicht besser aus. Nach einiger Zeit hatten wir in dem wirren Chaos unseren Zug ausfindig gemacht, der uns nach Goa bringen sollte. 12 Stunden in der Sleeping Class. Der zweiten (von unten) von insgesamt 7 Klassen. Mit der Wahl waren wir im Nachhinein echt zufrieden. Man hat reservierte Plätze (auf die man im Notfall bestehen muss, weil die Inder es oft nicht sooo genau damit nehmen), Ventilatoren und es ist nicht so eng wie in der untersten Klasse. Über der Sleeping Class kommen dann die „besseren“ mit Klimaanlage und sonstigen Annehmlichkeiten, die aber weitaus teuerer sind. Sleeping Class übrigens deshalb, weil die Sitze nachts zu drei übereinander befindlichen Liegen umgebaut werden. Tagsüber sitzt man zu sechst im „Abteil“. Langweilig wird einem nicht, da ständig Händler durch den Zug laufen, lauthals Chai (Tee) sowie andere Leckereien verkaufen. Wir fühlten uns 12 Stunden lang wie auf einem wandernden Lebensmittelbasar. Die Gerüche haben uns zum Teil das Wasser im Mund zusammen laufen lassen. Mit dem Konsum haben wir uns noch zurück gehalten, aber einmal konnten wir doch nicht widerstehen und haben unheimlich leckere Gemüseteigtaschen in Zeitungspapier serviert gegessen – die zum Glück auch drin geblieben sind. Die Toiletten in diesen Sleeping Classes sind nicht wirklich für magenschwache Leute geeignet…
Neben dem abwechslungsreichen Ausblick hatten wir auch noch Glück mit unseren Abteilgefährten – 4 Goaner um die Anfang zwanzig. Mit ihnen kamen wir nach ein paar Stunden Fahrt ins Gespräch und haben einiges über Indien allgemein, Goa und Konkani (die Sprache der Goaner) erfahren. Das Ende der Geschichte ist, dass wir uns auf Facebook kontaktieren werden, wir ein paar Häppchen Goanisch und die Jungs ein paar Worte Deutsch gelernt haben. Alles in allem tat der Hintern zwar nach unserer ersten Zugfahrt weh, aber es war dennoch kurzweilig und wird sicherlich unser bevorzugtes Verkehrsmittel in Indien werden.

GOA:
Goa ist bekannt als absolutes Hippie-Paradies bis Ende der 80er Jahre. Einige Überbleibsel aus vergangenen Jahren sind an jeder Ecke zu finden – die Zeit scheint stehen geblieben beim Anblick der verzottelten Alt-Hippies, die sich hier ganz niedergelassen haben oder jedes Jahr für einige Monate wiederkommen. Abgelöst wurden die Hippies von den Techno-Freaks – so waren in den 90ern ausufernde Techno-Parties am Strand an der Tagesordnung (manchmal auch noch heutzutage). Seit einigen Jahren ist einigermaßen Ruhe eingekehrt in Goa, dank des stärkeren Durchgreifens von Staat und Polizei. Doch nach wie vor zählt Goa zu einem der reichsten Staaten Indiens und sicherlich auch einem der offensten und modernsten. Hier ist die Zahl der Touristen ungefähr so groß wie die der Einheimischen und es herrscht wenig bis keine Armut. Man kann sogar standardmäßig Toilettenpapier kaufen und Bikinis am Strand sind keine Seltenheiten (auch wenn die meisten indischen Frauen in voller Montur in ihrem Sari ins Wasser steigen).

In Goa hatten wir uns zunächst für das im Norden liegende Städtchen Anjuna entschieden, das wir nach einer wilden Taxifahrt mit viel Gehupe, tiefen Schlaglöchern auf der Straße und halsbrecherischen Überholmanövern am späten Abend erreichten. Nachdem wir am Sonntag nochmals umgezogen sind (die erste Unterkunft war ziemlich bescheiden, überteuert und schlecht gelegen), wohnen wir jetzt 70 Meter vom Strand entfernt für knapp 5 Euro die Nacht. Unzählige Restaurants und Straßenshops säumen den Strand und das Geschehen rund um unser neues Schlafgemach, das aber trotzdem relativ ruhig ist. Von den Moskitos und schabenden Kakerlaken abgesehen sind wir hoch zufrieden. Die Moskitos können wir mit Netz und Spray einigermaßen in Schacht halten. Für die Kakerlaken haben wir noch kein Mittel gefunden und stellen den Ventilator einfach eine Stufe höher, um das nächtliche Schaben zu übertönen.
Den Tag kann man perfekt mit Sonnen, Schwimmen, Schlafen, Essen, Trinken und Kühe beobachten verbringen. Der Strand ist sehr schön und das Arabische Meer einfach unglaublich warm. Abgesehen von den einfach überall umher laufenden indischen Touristen (werden wohl von der aufstrebenden Mittelschicht sein) am Strand, die „Bleichgesichter“ wie uns regelmäßig um ein Foto mit ihnen bitten oder einfach hinterher knipsen oder auch die Kühe und Hunde, die einem ständig versuchen, etwas wegzunaschen (heute hat eine Kuh z.B. meinen Früshstückskaffee weggeschlürft!!!), fühlen wir uns in Anjuna sehr wohl. Getrunken wird übrigens überwiegend Kingfisher Beer – vielleicht kommt der Name dem einen oder anderen bekannt vor: Ja, dem guten Besitzer gehört auch die Airline, mit der wir von London nach Mumbai geflogen sind! Bier ist hier so einfach und billig zu haben wie nirgendwo sonst in Indien (ca. 70 Cent). Unseren ersten Feny (goanischer Cashew-Schnaps, der hier mit Tequila verglichen wird) hat uns den ersten kleinen Rausch eingebracht. War ein schöner Abend…

Wenn wir das oben Erwähnte nicht tun, verhandeln wir mit den Straßenhändlern um die ein oder andere Rupie. Egal, was wir als ersten Preis anbieten, wir bekommen immer ein „Are you killing me?“ zu hören. Das macht einen Heidenspaß und hat uns gut auf den in ganz Goa berühmten „Anjuna Market“ vorbereitet, der jeden Mittwoch hier stattfindet. Nach zähen Verhandlungen haben wir hier unsere ersten Souvenirs erstanden und sind ganz zufrieden mit dem (Verhandlungs-)Ergebnis. Kristin ist besonders stolz auf ihre erste „Alibaba-Hose“. Wir mutierten noch zu besten Einkäufern, wenn nicht die Reisekasse und der Platz in den Rucksäcken limitiert wären.

Trotz des anarchischen Fahrstils der Inder haben wir uns für 24h getraut, einen Roller zu mieten um so die nördlichere Gegend ein wenig erkunden zu können. Nach einer gewissen Gewöhnungszeit konnte auch Kristin hinten drauf die Fahrt genießen und hat sich mit ihren „VORSICHT“-Rufen und wilden Zuckungen zurückgehalten.

Nachdem wir fast alle Restaurants durchprobiert und für ausgesprochen gut befunden haben, machen wir uns morgen auf den Weg nach Panjim und Old-Goa, um nach einigen kulturellen Besichtigungen noch einige Tage am Strand im südlicher gelegenen Benaulim dran zu hängen.



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6 Antworten zu “GOA – ALT-HIPPIES, KUEHE AM STRAND UND TECHNO”

  • Miri sagt:

    Na, seid ihr inzwischen schon richtige Hippies? -Oder seid ihr schon weitergezogen! Mir persönlich graut es vor morgen, der Wetterbericht sagt 5 Grad vorraus und ich muss mit dem Rad zur Uni… Ich hoffe, ihr wisst zu schätzen, wie gut es euch geht! Und dennoch vermiss ich euch, insbesondere dich, mein Schwesterherz!!! Doch auch ein bisschen enttäuscht bin ich…-noch ist in eurem Fotoalbum kein Foto mit deinem neuen T-shirt zu entdecken 😛
    1000 Küsse in die Sonne! Passt auf euch auf! -Miri

  • Hermann sagt:

    Eben, Kristin, Du bist halt eine gute Tochter Deiner Mutter: Die schreit und zuckt auch bei jeder vermeintlichen Gefahr!
    Wünsche euch noch viele schöne Touren mit Roller (Achtung in Kurven, da liegt oft Split!)
    Falls ihr wirklich mal ein Paket nach Hause schickt: Ihr wißt ja ich sammle Sand )Gute alte Filmdose voll reicht, mit Ortsangabe)Freue mich schon auf euren nächsten Bericht!
    Hermann

  • Horst Wolfgang sagt:

    Hallo Kristin,

    gratuliere zum neuen Look. Fotos?
    Und danke an den heiligen Vater (egal wie dieser in Abhängigkeit von eurem Aufenthalt auch heißen mag), dass du einen Überlebenstrieb hast.
    Zucke weiter auf dem Roller und schreie weiter Vorsicht. Denn du bist wohl die einzige auf der Reise die diesen Trieb in normaler Ausprägung hat.
    Dieser muss jedoch für euch beide genügen.
    Deine männliche Begleitung wirft bei der Berührung mit „NEUEM“ bekanntlich alle Bedenken über den Haufen.
    Kann mir genau vorstellen wie der Irre ab Kilometer drei angefangen hat, den Kühen auf der Straße Namen zu geben und dem ein oder anderen verdutzt dreinblickenden Inder zu winken…

    Du mein lieber Chrisitan Ludwig Kratz, bleib bekloppt. Wie wir in Köln und in unzähligen, von mir so geliebten, Telefonaten besprochen haben, wird ein Christian Ludwig im 2. Gang ein angenehmer Tourist sein. Schalte aber bitte im Laufe der Reise auch ab und an in den 4. Gang sodass du für die Indianer (1492) der Kulturschock aus Europa bist. (Und dann ungefiltert in den Blog)
    Durch deine Art den Moment zu gestalten wird Kristin eine wundervolle Zeit haben. Und das ist verdammt nochmal dein Job auf dieser Reise.. ; )

    News aus Deutschland:
    Wenn man in Asien ist, sind 95% von aller europäischen Nachrichten egal.

    In China war es so, dass ich auf einer Zeitung ein Foto mit einer Milchkanne gesehen habe. Da ich den Text nicht lesen konnte, hab ich mir nix gedacht und weiter genüsslich morgens 0,5 Liter Milch gesoffen. Meine Mum hat mir dann eine Email gesendet, dass in China die Milch aktuell für Europäer gesundheitsschädlich sei.

    Sollte sowas in Deutschland in den Medien sein.. I’ll let you know…

    Uneigennütziger Vorschlag zum Platzproblem im Rucksack:
    Ich würde regelmäßig Dinge in Paketen (westliche Anbieter) nach Hause senden. So habt ihr mehr Platz und wir erhalten alle Geschenke…

    Stay hungry and foolish

    tc
    H.W. Becker

  • Jutta sagt:

    Och Mensch, das hört sich alles toll an! Habt weiterhin viel, viel Spaß und passt auf Euch auf!! Liebe Grüße aus dem ganz schön kalten Deutschland! Jutta

  • Micha sagt:

    @Kratzer: Das Handeln auf dem Basar müsste dir doch liegen. Ihr bekommt das doch schließlich (väterlicherseits) von Geburt an in die Wiege gelegt 🙂
    Haut rein und schreibt weiter fleißig. Übrigens: In Deutschland ist noch alles beim alten…

  • Fabian sagt:

    I like!

    🙂

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