GOA II – KLEINES STÜCK PORTUGAL
24 11 2010Anjuna mit Alt-Hippies und Moonlight-Techno-Partys ist natürlich nicht alles in Goa. So machten wir uns vergangenen Freitag mittels regionalen Kleinbussen auf den Weg nach Panjim (die heutige Haupstadt Goas), Old Goa (die alte Hauptstadt Goas) und Benaulim (ein weiterer Strandort im Süden).
Goa war über 450 Jahre in der Hand Portugals und wurde erst 1961 ein Teil Indiens. Unser erstes Ziel – Panjim – hat vom portugiesischen Flair im sog. portugiesischen Viertel etwas behalten, so targen manche Häuser, Geschäfte und Restaurants portugiesische Namen. Ansonsten können wir aus Panjim nur über unsere Erfahrungen mit der Post erzählen – dazu gleich mehr in unserem Kapitel „Auch mal lästern dürfen“. Vom ca. 10km entfernten Old Goa waren wir ehrlich gesagt wenig beeindruckt, wenngleich der markante katholische Einfluss der Portugiesen nicht zu übersehen war. Unzählige Kirchen auf geschätzten 500qm warfen die Frage nach dem Sinn der Errichtungen auf. Wollten unsere Mit-Europäer wohl Eindruck hinterlassen – erst recht mit dem Christentum? Bei der UNESCO hat es jedenfalls gefruchtet. Die Vielzahl der Kirchen auf engstem Raum stehen auf der Liste des UNESCO-Weltkulturerbes – und das auch noch hier in Indien, wo das Christentum ansonsten ja fast keine Rolle spielt. Der Prunk der katholischen Kirche ist auch hier erhalten geblieben, obwohl die Stadt ansonsten seit 150 Jahren aufgrund verschiedener Epidemien wie ausgestorben erscheint. Insgesamt zu Goa haben wir festgestellt, dass eine tiefe Verwurzelung des Christentums vorhanden ist. Spätestens nach der Zimmersuche in Benaulim, bei der Christian über 10 Gästehäuser abgeklappert hat, um mal wieder den Zimmerpreis herunterzudrücken, sind ihm in jedem schön geschmückte, kleine und größere Altäre ins Auge gestochen. Zuhauf ist uns bei den Bewohnern das Kreuz auf der rechten Hand hinter dem Daumen aufgefallen, das die Christen hier als Zeichen ihrer Gläubigkeit bereits im Alter von 4-6 Jahren eintätowiert bekommen.
BENAULIM:
Ein irre langer und toller Strand soweit das Auge reicht mit perfektem Meereszugang. Wollt Ihr noch mehr hören? 🙂 Man kann stundenlang laufen, der Strand wird nie enger, kleiner, dreckiger, steiniger – als wäre er unendlich…. Wir haben es auf eigenen Füßen festgestellt und sind irgendwann umgedreht. Die Mühlen malen hier sehr gemächlich. Wenn nicht unser furchteinflößender Nachbar wäre, „Evil Eye“, der so kalte Augen hat, dass man echt Angst kriegen kann, würden wir einschlafen vor Tiefenentspannung. Davon hält uns in unserer Straße auch der Bruder von „Evil Eye“ ab, „Elephant Tooth“, der alle durch seine Hörner auf Distanz hält. Wir hoffen einfach, dass die Anbinde-Seile dick genug sind oder sie uns begnadigen, wenn wir ihnen mal in freier Wildbahn begegnen. In diesen Gedanken können wir uns weiterhin entspannen…
Da wir in den ersten zwei Wochen quasi unsere Akkus aufgeladen haben, um uns für unsere weitere Reise vorzubereiten, verbringen wir zurzeit unsere Tage ganz nach dem Motto „Carpe Diem“ – am Strand oder bei Schauern auf dem kleinen Balkon unseres Zimmers.Am Donnerstagmorgen geht es dann in aller Früh weiter über Margao nach Hampi – zuerst mit Rikscha, dann mit Zug.
Nach den ersten Tagen in Indien sind uns nach genauerem Hinschauen einige Dinge aufgefallen, die uns trotz aller Offenheit dem Land und den verschiedenen Kulturen gegenüber einigermaßen in Rage versetzten (festzuhalten ist: Uns gefällt es hier und wir genießen die Zeit!)..Den weiteren Teil dieses Beitrages widmen wir daher mal einigen „Aufregern“ über Indien in der Rubrik…
…AUCH MAL LÄSTERN DÜRFEN:
1. Langstrecken
Nicht genug damit, dass die Züge von Mumbai nach Goa einige Tage im Voraus ausgebucht waren – der ganze Süden Indiens scheint ständig unterwegs zu sein, und zwar mit dem Zug. Nachdem wir glücklich unser nächstes Ziel Hampi (Tempel- und Palastruinen) auserkoren, Zugtickets erstanden hatten und über unsere weiteren Ziele im Süden Indiens und die Weiterreise in den Norden fantasierten, fanden wir heraus, dass ALLE Züge in ALLE Richtungen wochenlang ausgebucht sind – ohne besonderen Grund wie Feiertage, Ferien usw.! Das andere Verkehrsmittel für Langstrecken, der Bus, ist anscheinend selten zuverlässig, äußerst unbequem und dann auch noch im Internet nicht zu buchen… So verbrachten wir annähernd einen kompletten Tag im Internetcafé und puzzelten hin und her, wie wir weiterkommen. Schlussendlich sehen wir nun leider weniger von Südindien als gehofft, werden noch einige Tage an der Ostküste verbringen und haben uns zum Nikolaus einen Flug geschenkt, der uns von Chennai nach Ahmedabad bringt, von wo aus es dann wohl leichter mit dem halbwegs spontanen Reisen wird. Das hat uns auch ein polnisches Pärchen bestätigt, das wir in Mumbai kennenlernten und das zuerst den Norden bereist haben.
2. Beamtentum
Dass ein Paket aufgeben etwas umständlicher ist als in Deutschland (wg. Zoll etc.), haben wir uns schon gedacht. Waren froh, dass die Hauptpost in Panjim groß, relativ leer und dafür voll mit anscheinend nichts tuenden Angestellten war und wir auch noch 1,5 Stunden bis zur lt. Türschild offiziellen Schließung hatten. Wir gehen also frohen Mutes mit unserer Plastiktüte voll mit Souvenirs zum ersten Schalter und fragen, wie wir denn nun vorgehen müssen, um ein Paket nach Deutschland verschicken zu können. Es folgt ein Kopfnicken in die eine Richtung mit einem knappen „Over there“. „Over there“ angekommen, antwortet die etwas missgelaunte Postbeamtin, dass das heute nicht mehr gehen würde – „it’s closed for today“. Aber wir haben doch auf dem Schild am Eingang gelesen, dass Internationale Pakete verschicken bis 17:00 Uhr geht und es ist erst halb vier? Wir fragen also, warum es geschlossen ist. „It’s closed since… (ein kurzer Blick auf die Uhr) three o’clock. You have to come back tomorrow.“ „But the sign… on the door…“ Keine Reaktion uns gegenüber mehr. Nur ein starrer Blick auf ihren Schreibtisch. Was macht man da? Steckt man der Beamtin 100 Rupien zu? Wir sind erstmal rausgegangen, haben uns aufgeregt und sind um die Ecke zu einem privaten Paketeeinwickler gegangen, der uns dann sagte, die Post habe sogar bis 20 Uhr geöffnet, wir sollten zu einem anderen Schalter gehen – „Backdoor“. Nachdem er unsere Sachen liebevoll in Papier eingepackt und händisch in den obligatorischen Stoff eingenäht hatte, schließt er sogar kurzerhand seinen Laden ab und bringt uns zur richtigen Stelle, wo wir dann auch glücklich unser Paket loswerden. Außerdem gibt er uns noch den gut gemeinten Rat, in Indien immer den Pass oder zumindest eine Kopie dabei zu haben. „Be careful! India has its own rules.“
3. Die lieben Rupien:
Beschissen wird man ständig und immer, wenn man nicht genau aufpasst. Und selbst dann kann man manchmal nichts dagegen machen. Beispiel für das zweite ist unsere Busfahrt von Margao nach Benaulim. Im Bus hängt ein Schild, dass die Fahrt 7 Rupien kostet. Wir drücken dem Geldeinsammler einen Zwanziger in die Hand und warten auf unser Wechselgeld. Das kann manchmal etwas dauern, wenn dies gerade nicht parat ist. Eine alte Dame direkt vor uns hat irgend ein paar Münzen wiederbekommen, nachdem sie mit 10 Rupien zahlte. Kurz vorm Aussteigen haben wir es aber immer noch nicht wieder. Folgender Wortwechsel: „Sorry, how much is it for two?“ – „Twenty.“ – „But it’s only 14, see the sign!“ – „No, it’s twenty.“ Und raus sind wir und der Bus ist weg. Da ist man machtlos. Gut, es geht hier nur um 10 Cent, aber es ist einfach so eine Verarschung! In anderen Beispielen reicht Aufpassen und man hat noch eine Chance. So wollte der Hostelbesitzer in Anjuna bei seiner Summierung der verbliebenen Schulden für die Übernachtungen auf einmal 50 Rupien mehr. Einfach so. Man kann’s ja versuchen. Im Zug versuchte ein Wasserverkäufer sein Glück bei einer anderen Touristin gleich zweimal, indem er ihr zweimal falsches Wechselgeld raus gab – sie aber rechtzeitig nachzählte. Bei unserer Rollertour durch den Norden wies uns unser Hostelbesitzer darauf hin, dass Polizeikontrollen üblich sein – und dass man, egal, ob man sich ausweisen und sonst alles regelkonform wäre, mindestens 200 Rupien abdrücken müsste. „The police calls it taxes, but it’s corruption.“ Zum Glück blieben wir davon verschont. Goa muss laut unserem Hotelbesitzer die höchsten „Taxes“ zahlen, da die Polizei auch was am Tourismus verdienen möchte.
4. Der Müll und dessen „Entsorgung“:
Über dieses Thema können wir uns sicherlich seitenweise mit Beispielen auslassen. Ist ein Thema, dass wohl ganz Indien niemals bewältigen wird. Die Unterkünfte stellen Mülleimer zur Verfügung. Als wir das Zimmermädchen unserer Unterkunft fragten, was sie mit dem Müll machen wird, antwortete sie, sie würde ihn wohin werfen… nichts Genaueres dazu. Überall sieht man „offene“ Müllhalden, die von irgendeinem mal irgendwann geschaffen wurden – gerne auch des Öfteren am Straßenrand. Am Strand ernähren sich zum Teil die „heiligen“ Kühe und streunenden Hunde vom
Weggeworfenen. In ganz Mumbai findet man keinen Mülleimer auf offener Straße – vermutlich hauptsächlich wegen der Terrorgefahr. Wir haben keine Ahnung, was wirklich mit dem Müll passiert. Vielleicht wollen wir es auch gar nicht wissen?! Im Zug werden die leeren Wasserflaschen, Dosen usw. aus dem Fenster geworfen. Demnach sehen auch die Schienenstreifen aus. Das alles macht einen schon nachdenklich und sucht nach Lösungen für unsere eigene Müllbeseitigung. Nach Deutschland würden wir unseren ja gerne schicken, wenn nicht diese korrupten Postbeamten wären… Eine für unser Gewissen akzeptable Lösung haben wir bei unserer ersten Zugfahrt gesehen. Eine Touristen hat in regelmäßigen Abständen einen Becher Chai (Tee) während der Fahrt gekauft. Wir haben uns nach einigen Minuten gewundert, wo denn der leere Pappbecher geblieben sei. Ab dem nächsten Becher Chai hatten wir die Touristin fest im Blick. Wenige Minuten später hatte sie ihn schon geleert und…. sie stellte ihn einfach auf den Rand des offenen Zugfensters. Durch den Fahrtwind des Zuges hat es nur wenige Augenblicke gedauert und der Becher wurde von eben diesem Fahrtwind „raus getragen“ und „entsorgt“ und nicht direkt von der Touristin. Wir wollen bei unserer nächsten Zugfahrt auch mal einen Becher Chai trinken… In Benaulim wird Laub gepaart mit Plastik offensichtlich mit Vorliebe zusammen verbrannt. Zum Teil stinkt es fürchterlich beim Passieren des an der Straße qualmenden Feuers oder der Gestank zieht gleich in unser Schlafgemach.
Mit der Zeit folgen sicherlich noch weitere positive wie negative Eindrücke und wir freuen uns auf die Weiterreise!
Kategorien : INDIEN