CHILE – KOLONIALFLAIR, DEUTSCHE SPUREN UND WÜSTENOASE

5 02 2012

Bei unserer Flugbuchung von Neuseeland nach Südamerika entschieden wir uns für eine Route nördlich von Santiago de Chile. Unser grober Plan sieht nach dem nördlichen Teil Chiles eine Reise durch Bolivien, Peru, eventuell Ecuador und Kolumbien vor. Für alle, die sich vielleicht fragen, ob wir auch nach Patagonien (Feuerland) reisen werden, heißt die Antwort: Nicht auf dieser Reise! Wir lassen sowohl dieses Ziel als auch u. a. die größten Staaten des Kontinents mit Brasilien und Argentinien auf unserer Reise definitiv aus – irgendwo mussten wir uns entscheiden, denn Geld und Zeit sind von nun an überschaubar. Zwar haben wir noch keinen Rückflug nach Deutschland, werden dies aber in den nächsten Wochen planerisch angehen und hoffen, dass wir es bis zur Karibikküste „schaffen“, um alles ausklingen zu lassen und von dort in die Heimat zurück zu gelangen…

SANTIAGO:
Von Christchurch flogen wir mit einem kurzen Halt in Auckland direkt nach Santiago. Dies bedeutete einen elfstündigen Flug mit der absolut empfehlenswerten, chilenischen Fluggesellschaft LAN. Trotz der langen Zeit im Flieger gab es für uns ein sicherlich einmaliges Phänomen – wir wurden dank der Datumsgrenze ganze 16 Stunden jünger! So flogen wir in Christchurch zwar um 13:00 Uhr los, waren aber schon um 11:00 Uhr Ortszeit des selben Tages in Santiago. Es war etwas verwirrend, einen Tag fast doppelt zu erleben, aber sicherlich hat es uns nicht geschadet. Eher schon die 16 Stunden Zeitunterschied zu Neuseeland. Unsere Ankunft in Chile wurde leider noch etwas dadurch beeinträchtigt, dass es Kristins Rucksack nicht gleichzeitig mit uns schaffte. Zum Glück hatten wir Notfallkleidung getauscht und so ließ sich der eine Tag ganz gut überbrücken, bis der Rucksack dann doch noch heile ins Hostel nachgeliefert wurde.
Die Hauptstadt Santiago machte uns die Eingewöhnung in den neuen Kontinent nicht allzu schwer. Chile ist eines der reichsten Länder Lateinamerikas und so gleichen viele Städte denen aus Südeuropa. Das merkt man leider auch an den Preisen. Ein Bett im Schlafsaal im Hostel kostet nicht viel weniger als eins in Europa und die Doppelzimmer sind – zumindest für unsere Verhältnisse – praktisch unbezahlbar. Zudem ist Hauptsaison und somit sind Hostels sowie Busse tagelang im Voraus ausgebucht.
In Santiago besichtigten wir den Hauptplatz mit seiner schönen Kathedrale und vielen alten Gebäuden. Außerdem spazierten wir durch das süße Viertel Bellavista mit seinen kleinen verschnörkelten Häusern. Immer sichtbar waren die Anden, die Santiago an östlicher Seite begrenzen. Die Sauberkeit in der Stadt war verblüffend. Jede Grünanlage wird liebevoll gepflegt und bewässert und selbst an der Straße festgeklebtes Kaugummi wird mit Eisenstangen abgekratzt!

VALPARAÍSO:
Valparaíso ist eine pazifische Hafenstadt und etwa zwei Stunden nördlich von Santiago liegend. Zudem gilt sie als kulturelle Hauptstadt Chiles und der historische Stadtkern gehört zum Weltkulturerbe. Wie auch in Santiago war die Abwechslung aus den alten Kolonialbauten und modernen Bürokomplexen interessant zu sehen. Am Plaza Sotomayor bestaunten wir sogar eine interessante Kombination aus beidem: Ein Glaskomplex ist von einer alten Fassade umfasst. Die Stadt liegt an Steilhängen, die noch heute für die Fußgänger mittels großräumiger Stadtaufzüge leichter zugänglich gemacht werden. Bei unserer weiteren Stadtbesichtigung tummelten wir uns in den Künstlervierteln Cerro Alegre und Cerro Concepcíon, dessen Straßen beeindruckende Wandmalereien säumen und einen Blick über die Stadt bieten. Am Hafen sahen wir Seelöwen und Pelikane, die neben auslaufenden Schiffen und Touristenbooten ihr Glück beim Fischen versuchten.
Pünktlich zu unserem Besuch fand ein jährliches Kunstfestival statt. Auf einem Stadthügel nahe unseres Hostels fand beispielsweise ein Orchesterkonzert in einem ehemaligen Gefängnishof statt. Und auch Christian kam auf seine Kosten: Da wir in Chile nur vier Stunden hinter der europäischen Zeit waren und Südamerikaner bekanntermaßen Fußball verrückt sind, konnten wir seit fast 15 Monaten das erste Fußballspiel mit Live-Übertragung sehen – El Classico Barcelona gegen Madrid ! 🙂
Nach unserer ersten Nacht gab es einen größeren Brand in der Stadt, der doch glatt unter anderem mit Löschfahrzeugen mit der deutschen Aufschrift „Feuerwehr“ bekämpft wurde. Insgesamt sahen wir nicht nur in Valparaíso ein paar Hinweise auf deutsche Einflüsse. Die Anpreisungen von „Kaffee & Kuchen“, „Kunstmann – Das gute Bier“ und „Berlin(er)“ liefen uns beispielsweise öfters über den Weg. Das Ganze ist zum einen auf deutsche Flüchtlinge der NS-Zeit und zum anderen auf die Verbindung von Chile zur DDR zurück zu führen. Zum Beispiel war Erich Honecker in Chile sowohl für politische als auch private Besuche immer willkommen und dessen Frau lebt heute noch in Santiago de Chile.

LA SERENA:
Nach der ersten Nachtbusfahrt verbrachten wir zwar nur eine Nacht in La Serena, hatten aber quasi zwei volle Tage zur Verfügung, die wir wieder mit Sightseeing füllten. Unübersehbar in La Serena ist die unglaubliche Anzahl von 29 Kirchen. Im Übrigen ist ganz Chile sehr katholisch geprägt wie weite Teile Lateinamerikas. Bei einem längeren Spaziergang machten wir einen Abstecher zum Strand, der noch nicht (aber bestimmt bald) vom Tourismus belagert sein wird. Mehrere Anlagen werden gerade hoch gezogen, die nach Fertigstellung nur auf den Ansturm in der Hochsaison von Dezember bis März warten. Mitten am Strand steht ein Leuchtturm, dessen Fundament langsam aber stetig von der Flut unterspült und bereits an zwei Seiten abgesackt ist. Am zweiten Tag machten wir einen Abstecher zum ca. 15km entfernten Coquimbo, dass von einem riesigen Betonkreuz auf einem Hügel überragt wird. Dieses sieht man deutlich von La Serena aus und ist bei Nacht hell beleuchtet. Neben einem Downhill-Mountainbike-Stadtrennen sahen wir uns zudem den Hafenbereich und den Fischmarkt an, bevor es abends mit dem Bus weiterging in Richtung Norden.

SAN PEDRO DE ATACAMA:
Unser nächstes und auch schon letztes Ziel in Chile war San Pedro de Atacama, eine Oase in der Atacamawüste auf 2.443 Höhenmetern. Um dorthin zu gelangen, saßen wir insgesamt über 16 Stunden im Bus und durchfuhren von Küstengegenden am Pazifik bis zur Wüsteneinöde die unterschiedlichsten Vegetationszonen.
San Pedro ist ein kleiner Ort, der überwiegend vom Tourismus lebt und in der Umgebung einige beliebte Touristenattraktionen bietet. Wir hatten vor, von hier aus mit einer dreitägigen Jeeptour bis nach Uyuni in Bolivien zu gelangen. Somit konnten wir uns nach der Erholung von der Bustour und gleichzeitiger Akklimatisierung an die Höhe endlich mal wieder unserer schon fast vergessener Lieblingsbeschäftigung widmen: Dem Handeln!!! 🙂 Ganz einfach machten es uns die Chilenen nicht, denn die Touranbieter haben ihre Preise untereinander abgesprochen und bieten diese für weitaus mehr Geld an, als man für die gleiche Tour in anderer Richtung aus Bolivien zahlt… Trotzdem fanden wir für uns ein akzeptables Angebot und hatten noch einen Tag Zeit, um San Pedro und die nähere Umgebung zu erkunden. Kristin erkannte von ihrem Aufenthalt vor acht Jahren praktisch nur die Hauptstraße und die Kirche wieder, die eine der ältesten Chiles ist und deren Dach aus Kaktusstämmen gebaut wurde. Am Rand des Ortes beginnt der Salar de Atacama, eine große Salzablagerung in der Wüste. Wir machten uns auf zum Valle de la Muerte und wanderten fast völlig einsam vorbei an riesigen roten Sandfelsen und trockenen Salzpfützen.
In guter Sichtweite unseres Hostels befindet sich der Licancabur, ein 5920 m hoher inaktiver Vulkan, der dem Bild der Wüstenumgebung eine weitere interessante Abwechslung gibt.
Die Atacamawüste gilt übrigens als die trockenste Wüste der Welt – unglaublicherweise regnete es bei unserem Aufenthalt aber fast jeden Abend! 🙂 Ganz zum erstaunen ist dies auch für die Tochter unseres Hostelbesitzers, die mit ihren 14 Jahren erst zum vierten oder fünften Mal in ihrem Leben Regen erlebte.

Nachdem wir die Jeeptour durch die Wüste nach Uyuni in Bolivien gebucht hatten, war uns spätestens klar, dass Chile das Land mit dem kürzesten Aufenthalt auf unserer Reise bisher ist. So verließen wir das Land nach zwei Nachtbusfahrten, vier verschiedenen Orten und jeder Menge Sightseeing nach nur zehn Tagen.



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