BOLIVIEN II – HEXENMARKT, KARNEVAL UND HÖCHSTER SEE DER WELT

29 02 2012

LA PAZ:
Nach einer ruhigen Nachtbusfahrt erreichten wir den bolivianischen Regierungssitz La Paz. Die 1,8 Millionenstadt erstreckt sich mit ihrer Vorstadt El Alto über eine große Fläche in den Anden. Durch die Hanglage hat man von verschiedenen Punkten in der Stadt immer wieder wunderschöne Ausblicke über die Häuser und die schneebedeckten Berge in der Umgebung. La Paz liegt auf 4.100 bis 3.200 m Höhe, wobei der Wohlstand der einzelnen Stadtteile mit der Tiefe ansteigt, da das Klima angenehmer wird, je weiter unten man sich aufhält.
Nachdem wir ein Hostel im Backpackerviertel gefunden hatten, ging es direkt auf Entdeckungstour. Kristin hatte 2003/2004 für ein halbes Jahr in La Paz gewohnt und ein Praktikum absolviert. Sie war natürlich mächtig gespannt, was sie von der vertrauten Umgebung noch wieder entdecken würde. Nachdem wir die Haupttouristenpunkte mit der mächtigen Kathedrale San Francisco und dem Plaza Murillo mit seinen Regierungsgebäuden besichtigt hatten, ging es weiter entlang der Hauptstraße in das Viertel Sopocachi. Neben einem schönen Aussichtspunkt auf dem Plaza Monticulo hatte Kristin damals gewohnt. Nach einer kleinen Suchaktion fanden wir Kristins altes Heim wieder. Die Tochter der damaligen Besitzerin bewohnte nun mit ihrer Familie die ehemalige WG und ließ uns in den Vorgarten. Wir hatten wirklich Glück: Sie erzählte uns, dass das Haus 10 Tage später abgerissen werden sollte, um einem neuen Haus mit vier Wohnungen Platz zu machen!
Der nächste Gang führte uns zur Bäckerei Arco Iris, von der Kristin schon erzählte, seit feststand, dass wir nach Bolivien kommen würden. Und wir wurden nicht enttäuscht. Kuchen und Brötchen kamen der deutschen Backkunst mit unter anderem dunklen Brot so nahe, wie auf unserer gesamten Reise noch nicht! 🙂
Abends gab es eine große Wiedersehensfreude, als wir Kristins alte Freundin und Arbeitskollegin Liz trafen und verabredeten uns nach dem ersten Treffen gleich für den nächsten Abend wieder.
Am kommenden Tag schlenderten wir über diverse Märkte, die schier miteinander verbunden zu sein schienen. Zum Beispiel waren wir auf dem großen Mercado Negro (Schwarzmarkt) in La Paz, wo von Elektrogeräten über Kleidung bis zu Nahrungsmitteln alles erdenkliche angeboten wird. Am interessantesten bzw. für westliche Augen sicherlich am Skurrilsten ist der sogenannte Hexenmarkt. Hier kann man – natürlich tote – Llamaföten in verschiedenen Entwicklungsstadien erstehen, die der Pachamama (Mutter Erde) geopfert werden können, sowie andere Glücksbringer und Zaubermittel für Gesundheit, Reichtum, Fruchtbarkeit, Glück, usw.
Am Donnerstag Abend machten wir uns auf in die Disco Malegria, denn wie schon vor acht Jahren gibt auch jetzt immer noch wöchentlich eine afrikanische Liveband mit Tanz und Gesang zwischen Salsa und Pop-Musik ihre Einlagen. Zusammen mit Liz sowie dem Pärchen Anne und Bertram, die wir in Sucre kennengelernt und mit denen wir uns hier wieder verabredet hatten, verbrachten wir nach längerer Zeit noch mal einen Partyabend und feierten in Anne’s 30. Geburtstag rein.
Gespannt waren wir auf das Coca-Museum, das einst als Aufklärung rund um die Coca-Pflanze errichtet wurde. Dort erfuhren wir viel über die Geschichte, den Mythos und die Verwendung der im Alltag Boliviens und vieler anderer Andenstaaten konsumierten grünen Blätter der Coca-Pflanze. Diese Blätter bilden zudem den Grundstock des nach einem aufwendigen und chemischen Verfahren entstehenden Kokains, dessen Konsum natürlich auch hier verboten ist.
In den folgenden Tagen machten wir von La Paz aus Ausflüge nach Oruro und in die Yungas bevor wir zur Weiterreise zum Titicaca-See aufbrachen.

ORURO:
Die absolute Karnevalshochburg von Bolivien stellt mit Recht Oruro dar. Wir wollten uns dies nicht entgehen lassen und fuhren am Karnevalssamstag, dem Haupttag, früh morgens in vier Stunden mit dem Bus dorthin. Es erwartete uns eine sieben Kilometer lange Parade, die außer ein paar als Altar geschmückten Autos einzig mit Fußgruppen besetzt wird. Diese sind entweder reine Tanzgruppen oder Blaskapellen. Es ist so andersartig zu sehen wie dort als synchrones Team getanzt und Musik gemacht wird. In prunkvollen Kostümen mit und ohne Maske oder in traditionellen Kleidern wird dort zusammen auf der Straße gefeiert. Insgesamt ist dieses Spektakel neben der Parade ein riesiges Geschäft und es gibt unzählige Straßenverkäufer, die in den Seitenstraßen oder an der Parade entlang permanent entweder feste wie flüssige Köstlichkeiten verkaufen oder einem Spritzschaumflaschen andrehen wollen. Diese verwenden zumeist Kinder während der mehrwöchigen Karnevalszeit um sich gegenseitig oder vorbei laufende Passanten nass zu spritzen. Gerne werden auch alternativ Wasserbomben, Eimer oder Spritzgewehre dafür zur Hilfe genommen.
Für Zuschauer sind an beiden Straßenseiten der Parade Tribünen errichtet, um das Spektakel so deutlich wie möglich bestaunen und miterleben zu können. Die Tribünen kamen uns eher provisorisch vor, da sie mit dünnen Stahlgestellen und Holzbrettern als Sitzgelegenheit zusammengeschustert sind. Auf die zu bezahlenden Tribünenplätze gelangt man oft nur durch eine Kletteraktion über die Stahlverstrebungen oder Schlängeln zwischen den Sitzbrettern. Wir beide machten uns zunächst auf einer kleineren Tribüne mit sechs Sitzreihen und insgesamt knapp 60 Plätzen breit. Wir saßen neben drei Indigenas, mit denen wir das ein oder andere Mal über Gott, Bolivien, Deutschland und die Welt ins Gespräch kamen.
Im Laufe des Tages wurde es sowohl auf als auch unter den Tribünen zwischen Häusern und Sitzbereichen immer voller und damit enger. Aus diesem Grund störte uns bei unseren Plätzen schon unser Rucksack eine ganze Weile, da wir kaum Raum für unsere Beine fanden. Wir setzten ihn daher zwischen unsere Beine. Christian machte ihn an dem vorhandenen Brustriemen zur Sicherheit an einer Stahlverstrebung fest, nicht zuletzt, weil Diebstahl insbesondere in Oruro bei dieser Karnevalsparade ein großes Thema ist. Irgendwann im Laufe des Nachmittags schreckte Kristin jedoch plötzlich auf und schrie, dass der Rucksack weg sei und sie noch merkte, dass er unter der Tribüne weggezogen worden sei. Ungläubig schaute Christian an die Stahlverstrebung und da war kein Rucksack mehr zu sehen und es lag auch keiner unter unserer Tribüne. Wir schauten uns daraufhin an und realisierten, was passiert war, worauf Kristin nur schrie: „Los, los!“ und Christian schon quasi unterwegs war. Adrenalin schoss ins Blut und auf ging es zur Verfolgungsjagd. Mit einem Tritt auf einen freien Platz vor ihm und einem Satz über die unteren voll besetzten Reihen landete er auf der Straße. Nach kurzem Sprint und Durchwühlen bis unter die Tribünenplätze stand er vor einer 50:50-Chance. Entweder ist der Taschendieb rechts rüber oder links, denn vor ihm gab es nur die Häuserwand. In diesem Augenblick sprach ihn eine Bolivianerin an und sagte ihm ganz aufgeregt, dass er rechts rüber laufen müsse. Der Gang war so voll gestopft mit einer Menschenschlange, dass nur ein Wegschieben und Durchhangeln ein Weiterkommen ermöglichte – wenn auch sehr zäh. Bald erreichte er wieder eine Abzweigung. Unfassbarerweise sah er etwa 10 Meter vor dieser Abzweigung unseren Rucksack auf der rechten Schulter eines etwa Anfang zwanzigjährigen Typen. Dieser überlegte gerade, ob er gerade aus weiter oder links abbiegen sollte. Und da stand Christian schon hinter ihm und riss ohne groß zu überlegen am Rucksack. Durch den Ruck fiel der Taschendieb auf den Boden und hielt sich noch an einem Träger fest bevor Christian das zweite Mal heftig am Rucksack riss bis er ihn nach einem lauten Knall – eine Schnalle riss ab – in der Hand hatte. Dieses Mal schaute der Taschendieb ungläubig vom Boden aus nach oben und Christian zeigte ihm nur die Faust. Daraufhin stand er auf und rannte davon. Nach einigen Sekunden ging Christian durch die Menschenmenge wieder zurück in Richtung unserer Tribüne. Leute, die er vorher anrempelte, freuten sich nun zu seinem Erstaunen für ihn, da sie wohl aufgrund seines Verhaltens mitbekommen hatten, was passiert war. In der Zwischenzeit wurde Kristin auf unserer Tribüne schon mit Fragen bombardiert, da unsere Nachbarn Christian zuvor wie einen geisteskranken Typen von der Tribüne springen sahen. Somit wusste der Großteil unserer Tribüne binnen weniger Minuten über den Vorfall Bescheid. Als Christian wieder zurückkam, vor der Tribüne stand und die Tasche immer noch fertig von der Verfolgungsjagd in Richtung Kristin hochhielt, gab es einen riesigen Applaus von der halben Tribüne. Von nun an blieb der Rucksack für die restlichen Stunden schön auf unserem Schoß liegen – Glück gehabt! 😉
Am späten Nachmittag machten wir uns wieder auf den Weg nach La Paz, um dort nach einer weiteren vierstündigen Busfahrt total fertig von dem Erlebten des Tages ins Bett zu fallen.

YUNGAS:
Die Yungas sind eine Region, die den Übergang zwischen dem Hochland der Anden (über 4.000m über dem Meeresspiegel) und dem tropischen Tiefland mit dem Amazonas-Regenwald (ca. 500m ü.d.M.) bildet. Liz hatte uns zu dem Haus ihrer Familie in die Yungas eingeladen und so machten wir uns am Karnevalssonntag auf in die Tiefe. Doch zunächst ging es mit dem Minibus hoch auf 5.200m, um dann einige tausend Meter hinabzufahren. Und das alles innerhalb von zwei Stunden. Kein Wunder, dass unsere Körper etwas durcheinander waren und sich besonders beschwerten, als es am nächsten Tag schon wieder aus der Wärme und hohen Luftfeuchtigkeit des Regenwaldes zurück in die Anden ging… Aber es lohnte sich dennoch und wir verbrachten zwei schöne Tage mit Liz sowie ihrer Mutter, Oma, Tante, ihrem Cousin und Hund in einem ruhigen Örtchen. Die Oma hatte noch bis vor 10 Monaten hier als Bäuerin gelebt und die Familie besitzt noch viel Land. Somit gibt es ständig frische (und riesige) Avocados, Papayas, Bananen, Orangen, Zitronen und sogar Kaffee und Schokolade, die die Familie selbst für den Eigenverbrauch herstellt. Besonders interessant waren die Traditionen zu Karneval, die die eigentlich sehr moderne Familie nach wie vor zelebriert. Alle Häuser und Felder werden mit 96%igem Alkohol (von dem man sich zwischendurch auch ruhig ein Schlückchen genehmigen kann) sowie Süßigkeiten gesegnet und dann werden Böller gezündet, um die bösen Geister vom Eigentum zu vertreiben. Laut genug war es und wir sind das ein oder andere Mal selbst vor dem Geböller der Mutter geflüchtet und daher sicher, dass es gewirkt hat… 🙂

LAGO TITICACA:
Der Titicaca-See ist mit einer Größe von 8.288 Quadratkilometern nicht nur Südamerikas größter See, sondern mit 3.810 m über dem Meeresspiegel auch der höchste See der Welt. Für uns bildete er bzw. die am See gelegene Stadt Copacabana die letzte Station in Bolivien, bevor es auf der anderen Seeseite weiter nach Peru ging.
Eine wichtige Nahrungsquelle für die Bewohner am See stellt der Fischreichtum – insbesondere der der Forelle – dar und somit aßen auch wir an drei Tagen dreimal frische Forelle in unterschiedlichen Zubereitungsarten und jedes Mal unglaublich lecker. Copacabana ist nicht nur ein Touristenörtchen und beliebtes Ausflugsziel, sondern auch Boliviens bedeutendster Wallfahrtsort. Die Kathedrale ist für einen solch kleinen Ort sehr groß und eindrucksvoll. Außerdem gibt es einen Kreuzweg auf den Cerro Cavalrio, der zudem eine wunderschöne Aussicht über Stadt und See bietet.
Wir planten einen Tagesausflug mit dem Boot auf die Inseln Isla de la Luna sowie Isla del Sol und hatten Glück mit dem zurzeit eigentlich unberechenbaren Wetter. Es ist absolut faszinierend, auf dem riesigen See zu sein und sich zu überlegen, dass man sich praktisch 4km über dem Meer befindet! 🙂 Die beiden Inseln sind absolute Touristenmagneten. Zur Ruhe und Schönheit der hügeligen Inseln können Spuren alter Tiwanaku-Stätten erkundet werden. Neben den Touristeneinnahmen leben insbesondere die 75 Bewohner der Isla de la Luna weiterhin vom Fischfang. Im Übrigen überraschte Christian, dass trotz der Abgelegenheit und „Größe“ der Inseln beide über einen angelegten Fußballplatz verfügen, auch wenn sich über den Zustand der „Rasenfläche“ streiten lässt.



BOLIVIEN I – JEEPTOUR, REICHER BERG UND WEISSE STADT

13 02 2012

JEEPTOUR VON SAN PEDRO DE ATACAMA (CHILE) NACH UYUNI:
1. Tag
Mit einer für bolivianische Verhältnisse typischen Verspätung von 2 Stunden (und dass, obwohl wir noch in Chile waren), ging es mit einem Kleinbus der bolivianischen Agentur Richtung Grenze. Hier stelle man sich nun bitte keine befestigte Straße oder gar eine erkennbare Landeslinie vor. Mitten in der Natur umgeben von schneebedeckten Bergen und Vulkanen steht ein kleines Lehmhaus mit der Aufschrift „Migraciòn Bolivia“ und der bolivianischen Flagge. Nach einer für uns zum Glück unproblematischen „Einreise“ wurden wir auf die massenweisen Jeeps aufgeteilt, die auf der bolivianischen Seite auf uns warteten. Unser Jeep war glücklicherweise in ziemlich einwandfreiem Zustand und auch unser Fahrer/Reiseführer/Koch Saùl entpuppte sich als sehr netter und hilfsbereiter Mensch.

Mit einer ersten Ladung Cocablätter zwischen den Zähnen zur Vorbereitung auf die anstehende Fahrt auf über 5.000 Höhenmeter starteten wir mit unserer buntgemischten Jeeptruppe aus einem chilenischem Pärchen, einer Spanierin und einem Deutschen sowie einer Kolonne an weiteren Jeeps in Richtung beeindruckender Lagunen. Bei unserem ersten Stopp, der klaren Laguna Blanca, spiegelten sich dahinter liegende Andenberge mit ihren schneebedeckten Spitzen wider. Die Laguna Verde besticht nicht nur durch ihre türkis-grüne Farbe, sondern auch auch durch den Licancabur – der inaktive Vulkan, den wir bereits von der anderen Seite in San Pedro de Atacama bestaunen konnten. Unsere Fahrt führte uns weiter durch die Desierto Dalí zu den mitten in der Wüste gelegenen Thermalbädern. Dort machten wir dann auf bereits 4.200m Höhe in 30 Grad warmem Wasser eine 15-minütige Entspannungspause. Weiter ging es zu den Géiser Sol de Mañana auf 4.950m. Für die Geysire, die wir in Rotorua, Neuseeland nicht sahen, wurden wir hier mehr als nur entlohnt. Es war auf mehreren hundert Quadratmetern ein beeindruckendes Bild und auch Schauspiel aus wildem Schwefelrauch und brodelnden Schlammmassen, die wir aus nächster Nähe umwunden. Insbesondere die Schlammassen, die aus mal mehr und mal weniger flüssiger Zusammensetzung bestehen, gaben immer wieder sich verändernde Kunstwerke ab. Die Weiterfahrt führte uns zur Laguna Colorada, die neben Salzinseln ein rotfarbenes Wasser bietet. Die Farbe der Lagunen entsteht durch die zahlreichen im Wasser freigesetzten Mineralien. Das moosähnliche Lagunenufer, die sich weiterhin im Hintergrund befindlichen schneebedeckten Anden sowie die unzählig pickenden und umherfliegenden Flamingos machten ein wiederholt unwirklich erscheinendes Naturbild perfekt. Nach diesem vollgepackten ersten Tag der Tour waren wir froh uns in unser Nachtlager zu begeben. Mittlerweile hatte sich die Jeepkolonne aufgrund verschiedener Touren aufgelöst und wir waren nur noch mit zwei Jeeps unserer Agentur unterwegs. Mit dann insgesamt 12 Touristen und zwei Fahrern übernachteten wir auf 4.200m. Einige hatten spätestens in der anstehenden Nacht erste Probleme mit der Höhe. Übelkeit, Kopfschmerzen und dauerhaft erhöhter Puls waren die Anzeichen, die vielen von uns eine unruhige und von Schlaflosigkeit geprägte Nacht bescherten.

2. Tag
Nach dem Frühstück ging es zum Árbol de Piedra, dem Steinbaum. Dieser steht neben Felsformationen, die man durch die Sandwüste begehen und zum Teil erklettern kann. Mit anhaltenden Kopfschmerzen, die wir fortwährend mit Cocablättern zu bekämpfen versuchten, fuhren wir vorbei an weiteren Lagunen, u. a. an der Laguna Cheracota und wildlebenden Lamas.
Ungefähr zehn Monate im Jahr führt der Weg nun in Richtung Salar de Uyuni. Aufgrund der Wetterverhältnisse im Januar und Februar kann der Salzsee nicht durchquert werden, da er von Regen und infolge dessen von Überschwemmungen heimgesucht wird. So fuhr uns Saùl über eine Abzweigung auf die unbefestigte Hauptstraße Richtung Uyuni. Kurz hielten wir an weiteren Felsformationen an, bei denen der bekannteste Fels sich als klar zu erkennender Steinkondor darstellt. Nach kurzer Mittagspause in Villa Alota, einer fast ausgestorben wirkenden Kleinstadt, ging es direkt zum etwas umtriebigeren Städtchen San Cristobal. Dort machten wir einen kleinen Rundgang und bekamen das erste Mal aufgrund zahlreicher, traditionell gekleideter Einheimischer das Gefühl wirklich in Bolivien zu sein.
Weiter ging es auf der zum Teil schlammigen Hauptstraße. Nach wenigen Kilometern sahen wir eine stehende Autoschlange, die Saùl ohne Zögern passierte, da er bereits Schlimmes ahnte. Ein Jeep einer anderen Agentur kam auf der an diesem Abschnitt schmierigen Lehmfahrbahn ins Rutschen, überschlug sich beim Aufprall am gegenüberliegenden Graben und lag auf dem Dach. Nebendran standen zittrige und schluchzende Touristen, die von Verletzungen allem Anschein nach weitestgehend verschont blieben. Mit mehreren helfenden Händen drehten wir den Wagen wieder um und drückten bzw. zogen ihn aus dem Graben. Beim Hilfsmanöver erkannte Christian einen möglichen Grund für den Unfall. Der Unfallwagen hatte vorne so gut wie kein Profil mehr auf den Rädern und die Hinterreifen waren gar Slicks, die man eigentlich nur noch bei der Formel 1 verwenden könnte. Beim Feststellen des Wagens wollte Christian darüber hinaus die Handbremse betätigen. Selbst diese hatte keinerlei Zugkraft mehr. Wir stießen bei unseren Recherchen im Vorfeld der Tour bereits auf Informationen über unzureichend gewartete Jeeps. Nun hatten wir den Beweis, dass es sie gibt. Wir fühlten uns im Gegensatz dazu immer und jederzeit sicher bei Saùls Fahrweise sowie in seinem Jeep. Nachdem Saùl seinem Kollegen noch den Ersatzreifen unseres Jeeps gab, fuhren wir mit einem kleinen Schrecken davon.
Kurz vor Uyuni machten wir einen Abstecher auf den von der Hauptstraße schon zu sehenden Eisenbahnfriedhof. Alte Modelle aus dem 20. Jahrhundert bestaunten wir, die zum Teil mit witzigen Grafitis besprüht waren. Mit der Ankunft in Uyuni ging der zweite Tag der Jeeptour zu Ende und in dieser Nacht auf geringerer Höhe konnten wir glücklicherweise besser schlafen.

3. Tag
Um halb fünf rappelte der Wecker, damit wir es pünktlich zum Sonnenaufgang auf den ca. 30km weiter entfernten Salar de Uyuni schafften. Dieser Salzsee ist mit 12.000 qkm der größte der Erde und liegt zudem auf 3.650m. Da er zurzeit überschwemmt ist, spiegelt sich der Himmel bei gutem Wetter in ihm. Leider war es an diesem Morgen ziemlich bewölkt und es gab nur wenige Spiegelungen. Trotzdem war es absolut beeindruckend auf dieser riesigen weißen Fläche zu stehen. Aufgrund der fast gleichen Farbe von Wolken und Boden war der Horizont manchmal nicht einzuordnen, da ein fließender Übergang entstanden war. Auf dem Salzsee machten wir Halt an einem Salzhotel, das zum größten Teil wie der Name schon sagt aus Salz besteht. Dort gab es für uns ein letztes gemeinsames Frühstück und wir machten einen Rundgang durch das angeschlossene kleine Salzmuseum mit verschiedensten Salzskulpturen. Auf dem Rückweg nach Uyuni sahen wir, wie der Salzabbau betrieben wird. Kleine Salzpyramiden werden aufgebaut, um das Salz bis zum Abtransport auf dem See trocknen zu lassen.
Mit dem Verlassen des Salzsees und der Rückkehr nach Uyuni war unsere Jeeptour beendet. Wir begaben uns noch am gleichen Tag voller neuer Eindrücke und jeder Menge Fotos auf die Weiterfahrt mit dem Bus nach Potosí.

POTOSÍ:
In der höchsten Stadt der Welt auf 4.070m kamen wir nach einer beeindruckenden Busfahrt durch die Anden am frühen Abend an. Potosí hat eine absolut faszinierende Vergangenheit und ist noch heute eine äußerst interessante Stadt. Aufgrund von Silberfunden im anliegenden „Cerro Rico“ (Reicher Berg) im Jahr 1546 entwickelte sich die Stadt in den folgenden zwei Jahrhunderten zur reichsten Stadt Lateinamerikas. Der schillernde Cerro Rico barg das größte Silberaufkommen der Welt – kein Wunder, dass sogar Maultiere zu besten Zeiten mit Silber beschlagen wurden… Millionen von Indigenas (Ureinwohnern) und afrikanischer Sklaven arbeiteten und starben in den Minen. Heute ist vom Prunk nicht mehr viel übrig geblieben, aber der Minenabbau wird weiterhin aktiv betrieben. Wie zu Kolonialzeiten bauen die heute rund 15.000 Minenarbeiter die Stoffe mit einfachem Dynamit, Handwerkzeug und Schubkarren ab. Touristen können sich die Arbeit untertage auf geführten Touren ansehen. Wir entschieden uns nach einigen Überlegungen dagegen und für eine selbstorganisierte Taxifahrt zu den Minen. Heute bleiben Minenarbeiter nicht mehr wie früher wochenlang untertage, jedoch zeichnen sich die weiterhin strapaziösen Erdarbeiten in ihren Gesichtern nieder. Sie sind beim Abbau von zumeist Silber und Zink Asbest und anderen schädlichen Stoffen ohne große Schutzausrüstung ausgeliefert. Das ganze versuchen sie mit permanentem Cocablätterkauen zu übertünchen.. Immer wieder gibt es Unfälle in der Mine und auch die Gesundheitsbelastungen durch die Arbeit untertage führen zu einer überdurschnittlich hohen Sterberate. Trotzdem zieht der Cerro Rico weiterhin direkte Nachkommen der Minenarbeiter in seinen Bann, die nach Aussage unseres Taxifahrers zum Teil mit bereits zwölf Jahren ihre Arbeit aufnehmen. Das abgetragene Gut wird draußen vor dem Abtransport teilweise per Hand sortiert, was auch Frauen übernehmen. Die meisten „Mineros“ leben in Siedlungen zwischen Stadt und Cerro Rico. Daneben gibt es einzelne Familien, die direkt neben den Schächten in kleinen Steinhütten wachen, um den Berg, der ihr tägliches Brot liefert, vor Plünderungen zu schützen.

Potosí selbst birgt hinter jeder Ecke noch Spuren der Vergangenheit. Auch wenn die Stadt an sich eher etwas schmuddelig und unordentlich wirkt, erklären die zahllosen Gassen mit ihren schönen Giebelhäusern und die vielen Kirchen, warum die Stadt zum UNESCO Weltkulturerbe gehört. Auf dem Markt mussten wir uns vor allem in der Fleischabteilung an die skurrilen, aber hier doch alltäglichen Anblicke gewöhnen: Kuhköpfe, Schweinefüße, ausgelöste Rinderhörner und alle möglichen Innereien werden hier präsentiert.
Bei unserem ersten Gang durch die Stadt gerieten wir in die ersten Karnevalsvorläufer. Die Mineros machten einen Musik- und Tanzumzug, verbunden mit unvermeidlichen Wasserschlachten.

Nach drei Nächten, in denen wir immer noch mit Atemlosigkeit von so kleinen Gängen wie zum Badezimmer zu kämpfen hatten, machten wir uns auf nach Sucre. Die Busfahrt wurde im Übrigen von einem redseligen Vertriebler „versüßt“, der ein Monolog über die schlechten Essgewohnheiten der Bolivianer hielt, um im Anschluss seine Instandvitaminpackungen an den Kunden zu bringen, was ihm doch glatt bei erschreckend vielen Mitreisenden gelang.

SUCRE:
Die verfassungsrechtliche Hauptstadt Boliviens wird auch Weiße Stadt genannt. An jeder Ecke macht sie durch Schilder und Sprüche darauf aufmerksam, dass SIE die „Capital“ von Bolivien ist und nicht das konkurrierende La Paz. Dabei müsste sie sicherlich kein mangelndes Selbstbewusstsein haben. Prunkvolle und weiße, zum Großteil im Kolonialstil erhaltene Gebäude in Verbindung mit der indigenen Kultur setzte die Innenstadt einst auf die Liste des UNESCO Weltkulturerbes. Gepflegte Parkanlagen und ein mildes Klima in geringere Höhe als die Städte zuvor waren für uns zudem Gründe hier einige Tage länger zu verweilen. Gegenüber unseres Hostels befand sich der Hauptmarkt und unser erster Tagesgang führte uns immer zu einem wahren Paradies für Früchteliebhaber. Ungefähr 20 Stände bieten hier frisch gepresste Fruchtsäfte verschiedenster Sorten sowie Obstsalate zu unvorstellbar niedrigen Preisen an. Und als Ausgleich dazu fanden wir ein Restaurant mit saftigen Steaks vom Holzkohlegrill. Wir bummelten durch Straßen, Parks sowie über Märkte und genossen den bolivianischen Alltag sowie den herrlichen Ausblick auf Sucre vom Aussichtspunkt „El Mirador“. Ein besonderes Erlebnis war der Besuch des Hauptfriedhofes. Hier gibt es „Schubladengräber“, in denen die Toten äußerst platzsparend über- und nebeneinander beerdigt werden. Jedes Grab hat ein kleines Schaufenster, welches individuell geschmückt ist. Eine weitere Variante auf dem Friedhof sind die großen Familiengräber, die wie Mausoleen aufgebaut sind.

Am Sonntag machten wir einen Ausflug nach Tarabuco, einem kleinen Städtchen 65km entfernt von der Hauptstadt. Hier findet wöchentlich ein in der Region bekannter, großer Markt statt, der sowohl für Touristen als auch für die einheimische Landbevölkerung allerhand zu bieten hat. Wir konnten uns kaum sattsehen an den traditionell gekleideten Menschen, die aus einem anderen Jahrhundert zu stammen schienen. Das merkte man auch an der Faszination, die beispielsweise ein Fernseher auf sie machte. Bei zwei Begegnungen kamen wir zudem mit unserem Spanisch nicht weiter. Viele Leute sprechen hier nur Quechua, eine Sprache des Andenvolkes, die wie Aymara und Guaraní zu den weiteren Hauptsprachen Boliviens gehört.

Unser nächstes Ziel ist die wohl bekannteste Stadt Boliviens La Paz. Im Übrigen steht auch im katholischen Südamerika der Karneval vor der Tür, den wir in irgendeiner Form mitfeiern wollen.